Yad Vashem in Tel Aviv
Quelle: Jerusalemer Tagebuch
Yad
Vashem, die Jerusalemer Gedenkstätte für die im Holocaust ermordeten Juden, ist
den meisten Israelreisenden bekannt. Mit gutem Recht gehört Jad vaSchem zum
Pflichtprogamm eines jeden Besuches in Israel, mit seinen bedrückenden
Gedenkstätten und dem Museum, das den Holocaust beinahe zu sachlich
dokumentiert.
Bekannt ist das Gedenkzelt, wo Staatsgäste vor
Asche aus den Vernichtungslagern einen Kranz niederlegen. Wer nicht in Yad
Vashem war, wird auch das moderne Israel nicht verstehen können.
Weniger bekannt ist, dass es in Tel Aviv seit 27 Jahren eine Zweigstelle von Yad
Vashem im Vorort Givataim gibt. Im "Bet Wolin", benannt im
Gedenken an die von den Nationalsozialisten ausgelöschte Gemeinde Wolin in der
Westukraine, werden pro Jahr Seminare mit über 25.000 Teilnehmern veranstaltet.
Während Yad Vashem in Jerusalem stärker international wirkt, konzentriert man
sich im Bet Wolin mehr auf die israelische Gesellschaft. Mit drei Gruppierungen
werden Veranstaltungen durchgeführt: Schüler, Soldaten und Vertreter offizieller
Stellen.
Beide Einrichtungen gehören zu der Behörde, die für das "Gedenken der "Märtyrer
und Helden" des Holocaust zuständig ist.
In Jerusalem kann man wohl ein Denkmal für die Aufständischen des Warschauer
Ghettos finden, doch der Akzent liegt dort eher auf der Erinnerung an die Opfer
und der Dokumentation ihrer Leiden.
Dr. Gideon Greif, der Leiter der Tel Aviver
Einrichtung hebt aber in einem Vortrag über die "Todesfabrik Auschwitz" die
Wiederstandsbewegung im Lager hervor, auch wenn sie noch so klein war.
Das ist einer der Gründungsmythen des Staates Israel: die Entronnenen wollten
nicht mehr Opfer sein, geschweige denn über die Zeit der furchtbaren Qual in den
Lagern mit ihren Kindern sprechen. Sondern heldenhaft wurde ein neuer Staat
errichtet und sich des Widerstandes erinnert.
Nicht umsonst endet die historische Ausstellung in Jerusalem mit der
Einwanderung nach Palästina und der Gründung des Staates Israel. Die jährliche
Gedenkfeier am Holocaust Gedenktag findet auch nicht im Gedenkzelt statt,
sondern vor dem Denkmal für die Ghettokämpfer.
Nicht die furchtbare Vergangenheit steht im Mittelpunkt, sondern der siegreiche
Widerstand und die heldenhafte Gegenwart eines Staates, der immer um seine
Existenz kämpfen musste. In diesem Bewusstsein werden die jungen Israelis
erzogen, doch gerade in der zweiten und dritten Generation bricht nun die
unverarbeitete Vergangenheit wieder auf.
"Wir wollen ein Fenster zu der unvollendeten Symphonie der Vergebung öffnen, die
bereits im Holocaust begonnen hat", meint Gideon Greif.
Denn junge Israelis stehen Deutschland oft feindlicher gegenüber, als ihre
Eltern, die in Deutschland gelitten haben. Deshalb werden alle israelischen
Schulklassen, die in der Oberstufe in der Regel eine Studienfahrt nach Auschwitz
unternehmen, hier, im "Bet Wolin", vorbereitet.
Interessanterweise kann Gideon Greif hierbei keinen Unterschied in der
Betroffenheit bei Schülern, deren Familienangehörige den Holocaust erlitten
haben und ermordet wurden, und anderen, beispielsweise aus Äthiopien
eingewanderten Schülern, feststellen. Der Holocaust ist eine der Klammern, die
die inhomogene israelische Gesellschaft zusammenhält und ihr eine gemeinsame
Identität verleiht.
Deshalb sind auf dem Mahnmahl vor Bet Wolin auch die Worte eines jüdischen
Partisanenliedes aus dem zweiten Weltkrieg eingraviert:
"Sog nit kejnmal, as du gejsst dem leztn Weg,
chotsch Himlen blajene farschteln bloje Teg.
Kumen wet noch unser ojssgebenkte Scho,
ss'wet a Pojkton unser Trot: mir senen do!"
Auf dem Denkmal stehen diese Worte allerdings auf Hebräisch, der Sprache der
Helden, nicht auf Jiddisch, der Sprache der Opfer.
Anmerkung:
1943 kam der jüdische Schriftsteller Hirsch Glik aus dem Konzentrationslager
Waisse Wake ins Wilnaer Ghetto. Dort schrieb er im Alter von 23 Jahren in
Anlehnung an den Aufstand im Warschauer Ghetto dieses jiddische Lied. Rasch
wurde es zur Hymne des jüdischen Widerstandes.
In deutscher Übertragung lautet es:
Sage nimmer mehr, du gehst den letzten Gang,
weil Gewölk wie Blei den blauen Tag verschlang.
Die ersehnte Stunde kommt und sie ist nah
- unser Massenschritt wird pauken: Wir sind da.
Liste der Vortragsthemen von Dr. Gideon
Greif
http://schule.judentum.de
Sonderkommando Auschwitz:
Wir weinten
tränenlos
Interview mit Gideon Greif...
Historiographie aus jüdischer Sicht:
Die Geschichtsschreibung der Schoah
Über Dan Michmans Historiographie der Shoah;
Konzeptualisierungen, Terminologie, Anschauungen, Grundfragen...
Die Opfer des Nationalsozialismus:
Das Gedenken
im Unterricht
Gideon Greif zum schwierigen Umgang mit Schuld und Verantwortung...
Kontaktadresse:
Dr.Gideon Greif, 34 Herzog St., 53587 Givatayim, Israel
Tel: +972-3-571 87 98 (Durchw. 122), Fax: +972-3-732 14 58
gideon@hagalil.com
haGalil onLine 22-02-2004
|