Geschichte und Diskurs
Das Kapitel "Geschichte" wird eingeleitet von
einem Beitrag Adornos über Erziehung nach Auschwitz. Um aus der Shoah lernen zu
können, bedarf es des Wissens um das, was geschah. Die hier zusammen gefassten
Beiträge befassen sich mit der Entwicklung der Forschung und Untersuchungen
sowie ihren generellen Fragestellungen. Einzelne Forscher der ersten Generation,
für die die Untersuchung der Shoah kollektive Vergangenheit und Teil des eigenen
Lebens war, werden porträtiert. Es werden historische Abhandlungen über
Teilaspekte der Shoah-Forschung vorgestellt wie Debatten über die Rolle der
Kirche im Nationalsozialismus oder Arbeiten über die Situation der Judenräte.
In den Generationen, die die Shoah zum Thema
der Auseinandersetzung machten, veränderte sich die Perspektive. In der
Shoahforschung geht es nach wie vor geht es um die Bearbeitung von
Zeitdokumenten, um die Abläufe der Ereignisse zu rekonstruieren, sie zu erkennen
und für Gegenwart und Zukunft zur Vermeidung von Völkermord und Genoziden
nutzbar zu machen. Der Zugang zu den Archiven in der ehemaligen Sowjetunion
eröffnete Möglichkeiten für neue Erkenntnisse. Es geht aber auch darum,
unterschiedliche Formen der Überlieferung in die Suche nach Erkenntnissen
einzubeziehen. Das Spektrum reicht von den unpersönlichen bürokratischen
Papieren der Täter bis zu den, oft heimlich geschriebenen, codierten und
subjektiven Aufzeichnungen der Opfer. (vgl. ZeitzeugInnen).
Um einen Überblick über die heute in der
Shoahforschung behandelten Fragen zu gebe, sind einige Artikel aufgenommen, die
sich mit Problemen beschäftigen, wie in unterschiedlichen Gruppen der Shoah
gedacht, wie die Geschichte der Shoah in politischen Interessen funktionalisiert
wird oder wie eine allgemeine Erinnerungskultur aussehen kann?
Überlegungen zur Situation der
Zweiten
Generation, die hier ausschließlich Nachkommen von Überlebenden betreffen,
schließen sich an.
Der folgende Teil beschäftigt sich mit der
Darstellbarkeit der Schoah. Den Arbeiten Claude Lanzmans, die einen neuen Maßstab
in der Arbeit mit der Vergangenheit und ihrer visuellen Darstellung setzten,
stehen einige filmische Produkte des Massenbetriebs gegenüber. Diese Formen
repräsentieren die Spannbreite, in der Debatten um die Darstellbarkeit der Shoah,
auch in der bildenden Kunst und Literatur, geführt werden.
Neben dem konkreten religiösen Gedenken an die
Ermordeten werden aus der Shoah resultierende Ausschnitte der theologischen
Debatte dokumentiert.
Der Abschnitt Frauen stellt Artikel zur
Situation der Frauen in der Shoah, Erinnerungen von Frauen und feministische
Aspekte zum Umgang mit der Geschichte. Die Beiträge zeigen die
Verschiedenartigkeit der Erlebnisse und ihrer Verarbeitung, die Frauen während
des Nationalsozialismus bestimmten.
- Theodor W. Adorno
Erziehung
nach Auschwitz
Die Forderung, dass Auschwitz
nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr
jeglicher anderen voran, dass ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu
sollen. Ich kann nicht verstehen, dass man mit ihr bis heute so wenig sich
abgegeben hat. Sie zu begründen hätte etwas Ungeheuerliches angesichts des
Ungeheuerlichen, das sich zutrug...
- Moishe Postone:
Nationalsozialismus und Antisemitismus - Ein theoretischer Versuch
Meine Absicht ist nicht die
Beantwortung der Frage, warum dem Nazismus und dem modernen Antisemitismus ein
historischer Durchbruch in Deutschland gelungen ist. ... Dieser Essay will
vielmehr untersuchen, was damals durchbrach: eine Betrachtung derjenigen Aspekte
des modernen Antisemitismus, die als unabdingbarer Bestandteil des deutschen
Nationalsozialismus betrachtet werden müssen...
- Gedenken an die Opfer des
Nationalsozialismus:
Für Juden Teil ihres Selbstverständnisses
und was ist es für Nichtjuden?
Vor kurzem hatte ich Gelegenheit, einen Vortrag zum Thema "Kultur Über-Ich und
die Gedenkreligion des Holocaust" zu hören. Der Titel verrät sofort ,dass der
Vortragende ein Psychoanalytiker war...
- Natan Sznaider:
Für eine kosmopolitische Gedächtniskultur
Für eine kosmopolitische Gedächtniskultur: Die
Erinnerungen an den Holocaust werden zur Grundlage einer globalen
Menschenrechtspolitik...
- "Erinnerung im globalen Zeitalter":
Der Holocaust und die
"Globalisierung"
Was haben das Tagebuch der Anne
Frank, der Eichmann-Prozeß und "Schindlers Liste" von Steven Spielberg
gemeinsam? Sie alle sind Meilensteine auf dem Weg der Veränderung nationaler zu
kosmopolitischer Erinnerungskultur...
- Konservativer Geschichtsdiskurs:
Die
Zukunft der Vergangenheit
Der große britische Historiker
Eric Hobsbawm sieht Historiker als Hauptproduzenten des Rohmaterials, das zu
Propaganda und Mythen umgewandelt wird. "Jedenfalls beruht die Geschichte von
großen - nationalen sonstigen - Kollektiven nicht auf Erinnerungen der einfachen
Leute, sondern auf dem, was Historiker, Chronisten oder Altertumsforscher über
die die Vergangenheit geschrieben haben...
- Israel Gutman:
Der
Historiker, der dabei war
Gemäß den Gesetzen der
Wahrscheinlichkeit konnte nicht angenommen werden, dass Professor Israel Gutman
die Schoah überlebte. Seine Eltern und seine ältere Schwester starben noch vor
der Vernichtung aufgrund von Krankheiten. Seine jüngere Schwester kam in das
Waisenhaus von Janusz Korczak und wurde in Treblinka ermordet, wie auch alle
anderen Waisen und Janusz Korczak selbst...
- "Die dunkle Seite der Geschichte":
Yehuda Bauers
(Re-)Interpretation der Schoah
"Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind
wir weder Täter noch Opfer. Durch Blutsbande, Bekanntschaften oder kulturelle
Bindungen aber gehen sie uns etwas an. Wir wissen von ihnen. Sie sind Akteure
unseres Bewusstseins. Auf einer inneren Bühne sind sie anwesend, lassen sich
nicht verscheuchen"...
- Interview mit Raul Hilberg:
"Ich
fälle kein Urteil"
Auf ein Warum, warum die
europäischen Juden ermordet wurden, kann ich nicht antworten, weil ich
lebenslang nur erforschte, was geschah. Ich wollte wissen, wie etwas zustande
kam: In welcher Reihenfolge Maßnahmen getroffen wurden, wer daran litt und
umkam. Das war die Hauptsache: die Erhellung des Geschehens...
- Instanzen der Ohnmacht:
Der Weg zum Judenrat
Der Wiener Schriftsteller und Publizist
Doron Rabinovici, der nicht nur mit seinen literarischen Texten, sondern auch
durch seinen wortstarken Widerstand gegen Waldheim und Haider bekannt wurde, ist
in einem weiteren Teil seines intellektuellen Lebens auch Historiker...
-
Kriegswichtig:
Ein Buch über den Mord an den
ungarischen Juden 1944
In der internationalen Erforschung der
Shoah wurde ein europäisches Land bislang häufig ausgeklammert: Ungarn. Neben
der schwierigen Quellenlage war dafür ausschlaggebend, dass die
Entscheidungsprozesse für die Vernichtung der europäischen Juden spätestens mit
der Wannseekonferenz im Jahre 1942 abgeschlossen waren...
- Antisemitismus im Katholizismus:
Moral und
Geschichte
Hierzulande scheint es besonders schwer zu
sein, offen über moralische Fragen von Schuld und Sühne zu sprechen. Das zeigen
die jüngsten Reaktionen auf Daniel Jonah Goldhagens Buch über die Verstrickung
der katholischen Kirche in die Verbrechen des Holocaust und die Problematik
einer moralischen Wiedergutmachung...
- Katholische Kirche
Der gute Katholik vom
Vernichtungslager
Zum
Schluß wurde er dort hingerichtet, wo er waggonweise seine Opfer in den Tod
schickte. Als Lagerkommandant von Auschwitz war Rudolf Höß für die Ermordung von
1,5 Millionen Menschen verantwortlich. Dennoch erhielt er vor seiner Hinrichtung
die Sterbesakramente der katholischen Kirche - die rituelle Freisprechung von
Schuld und Sünde...
- Geschichte und Gegenwart:
"Die Lebendigkeit der
Geschichte"
Antwort auf die Frage, wie
relevant Geschichte für die Gegenwart ist, gibt das Buch "Die Lebendigkeit der
Geschichte. (Dis-)Kontinuitäten in Diskursen über den Nationalsozialismus." Die
39 wissenschaftlichen Beiträge eröffnen vielfältige Zugänge der Nachkommen von
Tätern und Opfern und anderer Betroffener zum Holocaust und zeigen die
Aktualität der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen
Vergangenheit...
- Efraim Zuroff - Wiesenthal Center
- Jerusalem:
Eine Warnung an die Mörder von morgen!
Der Name Efraim Zuroff ist inzwischen bekannt,
vor allem in den Staaten Osteuropas, die erst jetzt die Gelegenheit gefunden
haben, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. In seinem Buch
Occupation: Nazi Hunter (erschienen bei KTAV Publishing, eine deutsche
Version mit dem Titel Beruf: Nazijäger bei Ahriman Verlag,
Freiburg, kam im Jahre 1996 kam heraus) gibt Zuroff ausführlich über seine
Anfänge Auskunft...
- Israels einziger Nazi-Jäger
Efraim Zuroff:
Recherchen gegen das Vergessen
In gewisser Weise prädestiniert
Efraim Zuroff nichts für diesen Job, einen, den es nur einmal auf der Welt gibt.
Für das, womit Efraim Zuroff sein geld verdient, braucht man keine spezielle
Ausbildung, höchstens Berufung...
- Simon Wiesenthal:
Gerechtigkeit ...
nicht Rache!
Simon Wiesenthal wurde einmal von einem ehemaligen Mithäftling, der es zu etwas
gebracht hatte, gefragt, warum er seinen Beruf als Architekt nicht wieder
aufgenommen habe, er wäre doch sicher reich geworden...
- Reprint
des Philo-Atlas von 1938:
Handbuch für die jüdische Auswanderung
Der Atlas zeigt, in sachlichen Stichwörtern versteckt, die Sorgen
und Zukunftsängste, die Versuche und Schwierigkeiten deutscher Juden bei der
Auswanderung. "Wer dieses Handbuch heute genau liest, von Stichwort zu Stichwort
blättert, wird den Mythos in sich zusammenbrechen sehen, daß die deutschen Juden
Ausgrenzung und Verfolgung quasi passiv haben über sich ergehen lassen...
- "Die Quellen des Holocaust":
Geschwister-Scholl-Preis für Raul Hilberg
Raul Hilberg hat die
Organisationsformen und Stufen des Vernichtungsprozesses, die bürokratische
Dynamik und die moralische Enthemmung ebenso minutiös wie umfassend
untersucht...
- Reibach mit einem Modethema:
"Die Frauen der
Nazis"
Zur Geschichte des Nationalsozialismus
sind mittlerweile weit über 100.000 Bücher geschrieben worden, die
Neuerscheinungen eines Jahres lassen sich kaum mehr überblicken. Trotzdem gibt
es natürlich Tendenzen und neue Ansätze in der Forschung zur NS-Zeit. So ist vor
allem die Geschichte von Frauen im Nationalsozialismus erst in den letzten
Jahren in den Mittelpunkt der Forschung gerückt...
-
Vom guten und schlechten Gebrauch der
Geschichte:
Wider der
Banalisierung und Sakralisierung
Die Debatte über den Holocaust und
die Erinnerung ist schon lange auch eine Debatte darüber, welche
gesellschaftlichen Zusammenhänge und Prozesse durch das Wachhalten der
Erinnerung befördert bzw. blockiert werden, wem das Erinnern nützen oder schaden
könnte...
-
Erinnerungskultur und Zeitgeschichte im Konflikt:
Der Zeitzeuge als
natürlicher Feind des Historikers?
Die politischen Debatten des
vergangenen Jahres waren geprägt von der Frage nach einer angemessenen Form der
Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus. Nach einer Phase der Verdrängung
sei nun eine Zeit des Übermaßes an Erinnerung eingetreten...
- Radikalislamistischer
Antisemitismus:
Die Schoah ist Gegenwart
Dass die Schoah ein Schlüsselereignis der menschlichen
Geschichte war, ist zu einer ziemlich weit verbreiteten Weisheit geworden. Sie,
die ohne jede Präzedenz war, ist selbst zu einem Präzedenzfall geworden. Die
Schlussfolgerung ist, dass die Schoah sich wiederholen kann...
-
Die Goldhagen-Kritik wird
obszön:
"Holoporn" -
Der Fall Finkelstein
"Holocaust der Wale" und andere mißbräuchliche
Anwendungen und Entstellungen des Begriffs Holocaust kannte ich schon. Doch den
Ausdruck "Holoporn" kannte ich noch nicht. Gemeint ist eine Verbindung aus
Holocaust und Pornographie. Dabei soll es sich um ein neues "Genre" handeln, das
Goldhagen "erfunden" habe...
Second Generation
Darstellung der Shoah
Religion
|