Erich Hartmann, Photograph und Autor:
Ein verspäteter Liebesdienst

Gegen Ende seiner beruflichen Laufbahn als Photograph und
kurz vor dem 50. Jahrestag der Befreiung der letzten Konzentrations- und
Vernichtungslager im Frühjahr 1945 unternahm Erich Hartmann im Winter 1993/94
eine achtwöchige Reise zu den verbliebenen Resten der Lager und Gedenkstätten:
"Im Verlauf früherer Europareisen hatte ich mehrmals in Lagern
photographiert, doch dieses Mal sollte es eine Reise nur zu diesem Zweck sein.
Ich hatte keine Illusionen; ich wusste, dass ich keine Fakten zu der schon
bestehenden ausführlichen Dokumentation über die Lager hinzufügen konnte und
dass meine Photographien keinen einzigen Menschen vom Totenreich zurückbringen
oder das oft noch andauernde körperliche oder seelische Leiden keines einzigen
Überlebenden lindern würden. Ich musste einfach zu den Lagern, um eine Pflicht
zu erfüllen, die ich nicht in Worte fassen konnte, und um mit den Mitteln meines
Berufs einen verspäteten Liebesdienst zu erweisen".
Erich Hartmann, der im Sommer 1938 mit seinen Eltern und
Geschwistern in die USA emigrieren konnte, geht es "um eine ganz persönliche
Aussage mit strengen photographischen Mitteln, damit sie auch anderen Leuten
zugänglich ist. Ich behaupte nicht, dies ist jetzt das Gerüst der Gefühle, die
du haben musst, wenn du dich mit diesem Thema beschäftigst. Ich behaupte mit
diesen Bildern nur: Das habe ich gefühlt. Sonst gar nichts. Entsprechend
ist auch die Resonanz. Die Betrachter spüren: Das ist ein Hauch, ein noch übrig
gebliebener Hauch aus dieser Welt der Tötungswut".
(Im Zeitmagazin Nr.47
vom 18.11.94)
Das Buch "Stumme Zeugen (Originaltitel: In the Camps)
erschien zur gleichen Zeit in den USA, Großbritannien, Frankreich und
Deutschland.
Erich Hartmann, der Photograph und Autor,
wurde 1922 in München geboren.
Seine Ausbildung als Photograph begann er 1946. In den
folgenden Jahren arbeitete er als Portraitphotograph und veröffentlichte erste
Bildreportagen. 1952 wurde er zur Mitarbeit bei Magnum, der weltweit
bekannten Agentur freischaffender Photojournalisten aus verschiedenen Nationen
mit Hauptsitz in New York und Paris, eingeladen; später (1967-1986) gehörte er
zu deren Direktoren bzw. war Präsident von Magnum (1985-1986).
Als unabhängiger Photograph arbeitete Erich Hartmann u.a. für Fortune, Life,
Time, Newsweek, Die Zeit, Geo und Stern und für verschiedene
internationale Firmen. In den USA und Europa waren zahlreiche Ausstellungen
Hartmanns zu sehen, z.B. Macroworld (Paris, Hamburg, Tokio, London),
Train Journey (u.a. Paris und New York), Mannequins (New York, Paris)
und Laser (New York, Amsterdam, Paris). Die Ausstellung Au clair de la
terre (dt. Erdenschein, engl. Destination Earth, mit
gleichnamigem Buch) für die europäische Raumfahrtbehörde ESA wurde in den
zehn Mitgliedsländern der Organisation gezeigt. Hartmann hatte Lehraufträge für
Photographie an verschiedenen amerikanischen und europäischen Universitäten.
Seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet.
Mit seiner Frau, der Schriftstellerin Ruth Bains Hartmann, lebte er in New York
und Maine. Er starb 1999.
[Eisenbahnschienen]
[Stacheldraht]
Erich Hartmanns Photographien aus Konzentrationslagern:
Stumme Zeugen
... immer noch sucht mich, bald häufiger, dann
wieder selten, ein entsetzlicher Traum heim...

hagalil.com
27-04-2003 |