NACHRICHTEN AUS AUSCHWITZ
Das Internationale Auschwitz Komitee veröffentlicht
"Nachrichten aus Auschwitz." Was genau geschah vor sechzig Jahren in Auschwitz?
Was geschah 1944, dem schlimmsten Jahr in der Geschichte des
Konzentrationslagers, an einem bestimmten Tag?
24. Dezember 1944:
Weihnachten in Auschwitz
Es liegt Schnee in Auschwitz. Die Dächer der Baracken sind
weiß, aber nicht die Lagerstraßen. Immer noch sind es zu viele Häftlinge, die
sich mühsam darüber schleppen. Ihre schweren Schritte hinterlassen nur Matsch,
der dann wieder gefriert und das Gehen noch schwieriger werden lässt: Überleben
ist schwer geworden in Auschwitz in diesen Tagen, noch schwerer als es je war.
Keine Nahrungsmittel erreichen mehr das Lager. Die Häftlinge müssen mit dem
auskommen, was ihnen die SS zugesteht, und das ist viel zuwenig: das bisschen
Suppe und Brot, viel zu wenig Wasser. Dazu kommt die Kälte, die durch die
verschlissene Kleidung in jede Pore dringt: Die Häftlinge sind todmüde. Jeden
Tag ist in den so genannten Stärkemeldungen der Erschöpfungstod von zwanzig bis
dreißig Menschen verzeichnet.
An diesem Weihnachten kommt es besonders schlimm: 300 Frauen
aus dem Kommando Weberei sie fertigen dort Stoffe - erhalten den Befehl, sich
zu einem Bad in die Sauna zu melden. Ihre Kleidung wird ihnen abgenommen, um sie
zu desinfizieren. Nach der Dusche müssen sie nackt zurück in ihre Baracken
gehen, barfüßig über die gefrorenen Lagerstraßen. Es ist ein weiter Weg,
mindestens ein Kilometer. Und auch in den Baracken können sie sich nicht
aufwärmen. Die Baracken sind unbeheizt, ungehindert pfeift der Wind durch die
Ritzen zwischen den Bretterwänden. Ein strenger Winter in Auschwitz. In der
Nacht fällt die Temperatur auf Minus 30 Grad. Stundenlang müssen die Frauen auf
neue Kleidung warten. Die meisten von ihnen werden an Lungenentzündung
erkranken, viele werden sterben. Aber sie haben an Weihnachten gebadet, so wie
es sich nach Meinung der SS gehört.
Auch in anderen Teilen des Lagers wird die deutsche Ordnung
eisern aufrechterhalten. In Monowitz etwa, dem Lager, wo die IG Farben
synthetischen Brennstoff produziert. Das Lager wurde immer wieder von den
Alliierten bombardiert. Die Luftaufnahmen der Amerikaner dokumentieren das
Ausmaß der Zerstörung, aber auch die Wiederaufbauanstrengungen der Deutschen.
Jetzt im Dezember haben sie es fast geschafft. Was bedeutet das für die
Häftlinge?
Bei den ersten Luftangriffen haben sie zum Beispiel die Säcke
mit dem Phenylbeta aus den Magazinen herausgeschleppt. Dann wieder zurück, als
die Luftangriffe aussetzten. Schließlich wurden die Magazine getroffen und die
Häftlinge mussten die Säcke im Keller verstauen. Jetzt sind die Magazine
repariert, und die Säcke müssen zurück. Jedes mal sechzig Kilo pro Sack. Die
Chemikalie verätzt die Haut und Atemwege. "Aber nun", so schreibt Primo Levi,
"hat der letzte Kampf begonnen. Und kein Zweifel kann mehr bestehen, dass es der
letzte ist. In welchem Augenblick des Tages auch immer es uns geschieht, dass
wir auf die Stimme unserer Körper horchen, dass wir unsere Glieder fragen, die
Antwort lautet stets: die Kräfte werden nicht ausreichen."
Die Luftaufnahmen der Amerikaner zeigen nicht nur die
Reparaturarbeiten in den Fabriken von IG Farben. Sie zeigen auch, wie in
Auschwitz Birkenau die Abrissarbeiten vorangehen: Aber das heißt nicht, dass die
Nationalsozialisten aufgegeben haben. Sie transportieren die Einrichtung der
Krematorien II und III ab, um sie in den Konzentrationslagern Mauthausen in
Österreich und Großrosen in der Nähe von Breslau wieder aufzubauen. Die
zumindest sind ihre Pläne.
Auch in Auschwitz werden an Weihnachten Kinder geboren, gleich
drei werden es am ersten Weihnachtstag sein. Aber für sie gibt es keine Gnade,
keine Hoffnung zu überleben. Es geschieht kein Weihnachtswunder für die
Häftlinge von Auschwitz.
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hagalil.com 24-12-2004
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