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/Die beiden Blätter sind nicht beschrieben, mit großen Xen versehen; das erste davon trägt recht oben den Vermerk: Nummer existiert nicht –

schräg über die Seite steht: Irrtümlich ausgelassen, durch einen Zusatz welchen ich später einbaute./

/301/ AE: 215

Nicht er war der Initiator, sondern sein Reichsaußenminister dies ist klar, und geht aus den Dokumenten hervor. Aber auch er hatte selbst als Gesandter, zu gehorchen und daß(sic) zu machen, was ihm angeordnet wurde.

Um wievieles mehr an Gehorsam hatte ein Referent zu leisten. –

Himmler hatte im Oktober 1943 vor seinen SS-Gruppenführern, also vor seinen SS-Generälen, in Posen eine Rede gehalten. Unter anderen Punkten, behandelte er das Kapitel "Gehorsam".

Er führte aus:

"Gehorsam wird im soldatischen Leben morgens, mittags, und abends gefordert und geleistet. Der kleine Mann gehorcht auch immer oder meistens. Gehorcht er nicht, so wird er eingesperrt.

Schwieriger ist die Frage des Gehorsams bei den höheren Wurdenträgern in Staat, Partei und Wehrmacht, auch hie und da in der SS. Ich möchte hier etwas klar und deutlich aussprechen:

Daß der kleine Mann gehorchen muß, ist selbstverständlich. Noch selbstverständlicher ist es, daß alle hohen Führer der SS, also das ganze Gruppenführer-Korps, vorbilder des bedingungslosen Gehorsams sind. -------- In dem Augenblick aber, in dem der betreffende Vorgesetzte oder der Reichsführer SS – das kommt ja für das Gruppenführer-Korps in den meisten Fällen in Frage -

/302/ AE: 216

oder gar der Führer entschieden und den Befehl gegeben hat, ist er auch durchzuführen, nicht nur dem Wort und dem Buchstaben nach, sondern dem Sinne nach. Wer den Befehl ausführt, hat dies zu tun als getreuer Walter, als getreuer Vertreter der befehlsgebenden Gewalt. Wenn Sie zuerst glaubten, dies wäre richtig und jenes wäre nicht richtig oder sogar falsch, dann gibt es zwei Möglichkeiten.

Wenn einer glaubt, er könne die Befolgung eines Befehles nicht verantworten, dann hat er das ehrlich zu melden: ich kann es nicht verantworten, ich bitte mich davon zu entbinden. Dann wird wohl in den meisten Fällen der Befehl kommen: Sie haben das doch durchzuführen.

Oder man denkt: der ist mit den Nerven fertig, der ist schwach. Dann kann man sagen: Gut, gehen Sie in Pension. Befehle müßen aber heilig sein."

/am Rand Ziffer 62/

Das hört sich nun ganz schön an. Aber wenn man bedenkt, daß es sich ja hier um SS-Generäle handelt, auf welche Himmler diese, seine Worte münzte, dann sieht es schon anders aus. Bezüglich der kleineren Dienstgrade heißt es ja auch: er hat zu gehorchen; wenn nicht: einsperren. Ja, es ist eben genau daß(sic), was ich sagte: unsere damaligen Chefs hatten es in dieser Hinsicht einfacher. Außerdem ist

/303-304/ AE: 217

es eine alte militärische Erfahrung, seit Generationen: je weiter dienstgradmäßig herunter, desto rücksichtsloser und strenger, "wird mit ihnen Schlitten gefahren". -------

/weiterer Abschnitt von 6 Zeilen unleserlich gemacht/

-(20)-

Der Mensch unserer Tage insonderheit der Stadtmensch lebte und lebt in der Hast und der Hetzjagd, im tagtäglichen Kampf um seine Existenz. Diese Arbeiterei und Plackerei, der er zur Versorgung seiner selbst und der seiner Angehörigen unterworfen wurde /Zusatz von Seite gegenüber: oft genug unter Umständen, die ihn rein nervlich bis an den Rand des gerade noch Erträglichen treiben,/ ist zur eigentlichen Inhaltsfülle seines Daseins geworden. Und mit zunehmender Dichte der Erdbevölkerung wird dieser Daseinskampf in zunehmendem Maße rücksichtsloser und brutaler.

Er läßt ihm zur Sammlung geister(?) Werte, an denen er sich innerlich aufrichten könnte stets weniger Zeit und Muße. Ja, darüber hinaus wird es ihm, infolge seines abgekämpften Zustandes in physischer und psychischer Hinsicht, stets schwerer, überhaupt noch ein Interesse für eine solche Wertesammlung, aufzubringen. Dafür wird an Stelle solcher Verlangen ein potenzierter Egoismus, verbunden

/305/ AE: 218

mit einer pessimistischen Grundeinstellung zu den Dingen des Daseins, und wenn er es je noch bedenken sollte, zu den dingen überhaupt, allwaltend.

Eine auf dieses Milieu abgestimmte staatliche oder prarteiliche Propaganda, wird hier stets ihre Erfolge zeitigen.

In Deutschland beispielsweise vegetierte zur Zeit des Werdens der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei" ein Millionarbeitslosenheer, mehr schlecht als recht, dahin.

Die verschiedenen politischen Strömungen mit ihren demagogischen Aufrufen, werden dem Individuum mittels einer psychologisch spezialisierten Propagandamaschinerie aufgedrängt, und beeinflußt schließlich dessen sittliche Grundhaltung durch Richtungsabdrängung in das von Partei oder Staat gewünschte Denken und Tun.

Die ursprüngliche Verschiedenheit der Gesinnung, den Einzelcharakteren entsprechend, wird in eine Norm gebracht, wird ausgerichtet; soll gleichgeschaltet werden. Damit aber geht die Voraussetzung einer individuellen Gesinnungsethik verloren und an seine Stelle tritt eine staatliche oder parteiliche "Massenethik", besonderer Eigenart.

Das Individuum kann jetzt allenfalls wohl noch unterscheiden und entscheiden, was wertvoll und was gemäß seiner Einstellung und seinem Empfinden nach den allgemein gültigen sittlichen

/306/ AE: 219

Werten zuwiderläuft, aber er kann dem eigenen Denkresultat oder seinem eigenen Empfinden dann keinen sichtbaren Ausdruck mehr verleihen, wenn der Totalitätsanspruch einmal staatlich-exekutiven Charakter angenommen hat, ohne persönliche, leibliche Gefahr auf sich zu nehmen; ja, selbst solch ein Opfer wird keine Änderung des befohlenen Allgemeinzustandes herbeiführen.

/2 Zeilen unleserlich gemacht/

Der Handlungsfreiheit kann nur noch in jenen Bahnen Ausdruck verliehen werden, deren Richtung und Ziele der Staatsführung genehm ist. Und anstatt daß die menschlichen Triebwerte im Hinblick auf ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen untereinander, zugunsten der moralischen Werte eine Unterordnung erfahren, ist es gerade umgekehrt. Mit eine der Konsequenzen ist dann schließlich, daß an Stelle der gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen und Rechte anderer Völker, das Recht gesetzt wird, welches dem eigenen Volke alleine nützen soll, ohne Beachtung der Lebensnotwendigkeiten und des Lebens anderer Gemeinschaften, ja sogar auf Kosten dieser.

Solange dieser Zustand nicht geändert wird, gibt es unbarmherzig weiterhin Katastrophen im Völkerleben, so sicher wie das Amen in der Kirche. Und der Parlamentarismus verstecke sich nicht hinter der Tröstung, daß solches doch nur in

/307/ AE: 220

totalitären Staaten möglich wäre und das(sic) diese alleine die auslösenden Ursachen wären. Die geschichte gibt darauf ganz eindeutige Auskunft.

__.__

/1 Abschnitt von 9 Zeilen unleserlich gemacht; danach dieselben drei Abschlußzeilen wie unten, gestrichen/

Des Schicksals Walten stellte mich in´s Sein, in´s Leben: als Mensch.

Und ihm entschwinde ich, gleich der Reise eines Wanderers in der Nacht.

Ein jeder hat auf diesem Gleise vieles, daß(sic) Schmerzen und auch Kummer macht.

Ende des Teiles I

Adolf Eichmann

6 – 9 – 61

/308-309/ AE: 221

/die erste Seite ist leer, auf die Rückseite des Blattes sind etliche dreistellige Zahlen gekritzelt, offenbar Seitenberechnungen des ersten Manuskriptteiles/

/310/

Quellen zum Teil I

/1/ Dok. 1182

/2/ Dok. 1451 (T 107)

/3/ Dok. 5

/4/ Dok. 1168

/5/ Dok. 2, 38

/6/ Dok. 462 (T 110)

/7/ Dok. 77

/8/ Dok. 505 (T 115)

/9/ Dok. 1508

/10/ Dok. 1512, 1516, 1515 /daneben notiert, gestrichen: Dazu die Löwenherz-Aktennotitzen, es sind deren glaublich 30. Aber die Nummern (Staatsanwalt No) fehlen mir. Man muß sie hier einsetzen. Aber nur die vor 1945 von ihm geschriebenen./

Dok. 1139

Dok. 1129 bis 1138

Dok. 1139, 1140

/11/ Dok. 1169

/12/ Dok. 1139

/13/ Dok. 1571 (N 33)

/14/ Dok. 1171, 1176 /daneben notiert gestrichen: und die Löwenherz-Aktennotitzen, (diejenigen, welche vor 1945 geschrieben wurden.)/

/15/ Dok 91

Dok 108 /gestrichen, noch lesbar: Ich weiß nicht auswendig, ob es genau No 91 oder 61 ist. Bitte nachsehen./

Dok. 784.

/16/ Dok. 1129.

/17/ Dok. 296.

/18/ Dok. 1193,

/19/ Dok 889, 1236, /gestrichen: 1557/ 541, 172 (Seite 7),

/20/ Dok. 192, 1181, 1557,

/21/ Dok. 1194, 1058, 550, 855, 1197.

/22/ Dok. 1397, 1396, 1087,

/23/ Dok. 1398,

/311/

Quellenverzeichnis zum Teil I.

(Fortsetzung)

/24/ Dok. 1588, 36, 51, 554, 921.

/25/ Dok. 1399

/26/ Dok. 1398

/27/ Dok. 1485, 468, 1405, 1403, 1485, 14, 1458, 1488, 1461, 1400,

/28/ Dok. 1486, 1487

/29/ Dok. 172

/30/ Dok. 728, 738

/31/ Dok. 503, 197, 1064, 948, 1027

/32/ Dok. 874,

/33/ Dok. Poliakow "schwarz" Seite 197 (Poliakov Dok. No 246)

/34/ Dok. IMT XIV, S. 467 (Aussage Schirach´s vor dem Intern. Milit.

Tribunal)

Dok. IMT XIV, S. 560

Dok. 1634

Dok. 1462, 1407, 1408.

/35/ Dok. 1395

/36/ Dok. 461

/37/ Dok. 1247, 1248, 1545, 1544, 1446, 504, 1193, 406, 1197, 42

/38/ Dok. IMT XXIII Seite 534, PS-3921

Dok. 1193 (Seite 2), 138, 139.

/39/ Dok. hat Dr. Servatius. Wetzel´sches Handschreiben, samt den Entwürfen und Klartext. Die Nummern habe ich nicht; müßen besorgt werden, da die Sache wichtig und interessant ist.

/312/

/40/ 946, 890, 1101, 465, 947, 74, 597.

/41/ 841, 842, 876, 446, 877, 1206, 106, 878

/42/ 174

/43/ 701

/44/ 389

/45/ 1588, 36, 51

/46/ "Der Kommandant von Auschwitz"

"Captain Payne-Best, the ?? Incident, London 1950, S. 186 u. 227."

"Die Zeugenaussagen des SS-Richters Morgan, in Nürnberg"

Wdie Zeugenaussagen Höß in Nürnberg und in Polen"

"Filip Friedmann, This was Oswiccim"

"Bayle, Croix Gammee contre Cadmee(?)"

/47/ Dok. 1253

Dok. 1537

/48/ Dok. 1174

/49/ Dok. 285, 1411, 1412, 287, 286, 1413, 289, 284,

/50/ Dok. 119, 728, 738, 739, 187, 1175

/gestrichen, noch lesbar: (Die Dokumente "Sonderkonto W" müßen noch angeführt werden. Ich kenne die Nummern nicht!)/

/51/ Dok. 1505, 468 (Seite 4 u 6), 1248

/52/ Dok. 1498,

/53/ Dok. 46, 913 (Seite 4), 175 (Seite 2) 912 (Seite 5775/76) 914, 874.

/54/ Dok. 843

/313/ AE: 4

/55/ Dok. 773, 6, 29, 500, 235, 129, 395

/56/ Poliakov (rot) Seite 301 u. 302

/57/ Dok. 410

/58/ Dok. 1254, 1255

/59/ Dok. 865, 866, 867, 868, 869, 936, 937, 938, 939, Dok. N 19., und Aussage Krumez Antsgericht Frankfurt a/Main v. 6. 6. 1961.

/60/ Dok. 558

/61/ Dok. 168, 506; Zeugenaussagen: Six 1961 in Deutschland

v. Thadden 1945-1948 in Nürnberg

und 1961 in Deutschland

/62/ Dok. 150

/314/

Götzen Teil II.

Inhalt

Quellenverzeichnis ………………………………. 20 Seiten

Teil II. (Seite 1 – 193 und 2 Seiten (1a, 1b.) als "Eingang"

(unterteilt in 15 Abschnitte)

194 Seiten (einhundertneunzig und sechs als laufende Blattzahl.

Adolf Eichmann /Unterschrift/

6 – 9 – 61

/315/

II. Teil

/316/

AE 1A = 1a,

Teil II

1 –

Wenn in den letzten 15 Jahren, Publizisten in Wort oder Schrift, sich mit meiner Person beschäftigten, dann kann man beim Studium der Veröffentlichungen die Wahrnehmung machen, daß es hier zum Beispiel heißt: ja, eine Beteiligung Eichmann´s an den Massakern im Osten behaupten zu wollen, erscheint wohl abwegig, aber er war der Verantwortliche für die Lösung der Judenfrage in allen von Deutschland besetzten oder beeinflußten übrigen Gebieten Europas.

Nun, nachdem ich darauf in den Mittelpunkt solcher Beschreibungen gestellt wurde, ist es für mich nicht ganz einfach, gerade über das Kapitel West- Nord- Süd und Südosteuropa zu sprechen, ohne bei schier jedem Satz in die persönliche Verteidigungsstellung zu gehen. Solches aber langweilt. Auf der anderen Seite aber, scheint es doch auch wieder selbstverständlich, daß jemand, der für etwas nicht verantwortlich war, also nicht der Drahtzieher, Initiator oder der Befehlende war, wohl aber dessen beschuldigt wird, daß sich ein solcher also, gegen falsche Beschuldigungen zur Wehr setzt; denn sonst ergäbe es ja ein falsches Bild. Ich habe daher die beste und zugleich einfachste Lösung gefunden, in

/317/

AE 1B 1b

der Form, als ich glaube, daß es hier für die Erziehung eines objektiven Bildes das Beste ist, weitgehend die damaligen amtlichen Dokumente selbst, mit ihren eigenen Worten sprechen zu lassen. Dadurch wird erreicht, daß selbst jede mögliche Unterstellung etwa, ich sei mit "Aalglätte oder Doppelzüngigkeit" an die Beschreibung der Materie herangegangen, von vorneherein verunmöglicht wird. Eine solche Betrachungsweise, die ich mit persönlichen Erinnerungen und Meinungen illustriere, scheint mir ein recht wahrheitsgetreues und anschauliches Bild zu vermitteln, just daß, was der Leser ja wissen will, nämlich: was war denn nun wirklich damals das. Was ist wahr und was ist Geflunker. Und der Leser selbst wird es sein, der sich abschließend eom klares Urteil über das Tatsächliche an dem Geschehen bilden kann.

/318/

AE 1

I

II. Teil

2 –

Frankreich

Am 21. Juni 1940 wurde in dem historischen Spreisewagen der "Internationalen Schlafwagengesellschaft" in Campiegna der Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich vereinbart.

Am 3. Aug. 1940 teilt der damalige ReichsaußenministerJoachim von Ribbentrop, dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Berlins, folgendes mit. (1) Hitler habe gemäß seinem Vorschlag den bisherigen Gesandten, Abetz, zum Botschafter ernannt und ihm für Frankreich u.a. folgende Aufgaben übertragen:

Beratung der militärischen Stellen in politischen Fragen.

Ständiger Kontakt mit der Vichy-Regierung und ihren Beauftragten im besetzten Gebiet.

Beratung der Geheimen Feldpolizei und Geheimen Staatspolizei bei der Beschlagnahme politisch wichtiger Dokumente.

Sicherstellung und Erfassung des öffentlichen Kunstbesitzes, ferner des privaten und vor allem jüdischen Kunstbesitzes auf Grund besonderer hierzu erteilter Weisungen.

Ferner hatte Hitler ausdrücklich angeordnet, daß ausschließlich Botschafter Abetz für die Behandlung aller politischen Fragen im besetzten und unbesetzten

/319/

/gegenüber S. 2/

Bemerkung für die Zensur:

Diese schriftstellerische Arbeit kann nicht mit der Waage der Rechtsparagraphen gewogen werden. (Unterschriftskürzel)

/320/

AE 2

Frankreich verantwortlich ist.

Weiter teilt Ribbentrop mit, daß der Botschafter die Weisungen zur Durchführung seiner Aufgaben von ihm erhalte und ihm ausschließlich hierfür verantwortlich sei.

Dies war eine Bestellung mit ungeheuren Vollmachten: Und so nimmt es nicht Wunder, daß Abetz bereits in einer Besprechung am 17. Aug. 1940 anregt, die Militärverwaltung in Frankreich möge anordnen, daß mit sofortiger Wirkung keine Juden mehr in das besetzte Frankreich hereingelangen. Ferner verlangte er die Vorbereitung zur Entfernung aller Juden aus dem besetzten Gebiet und schließlich die Prüfung, ob das jüdische Vermögen im betzten Gebiet enteignet werden kann. (2)

Der Chef der Militärverwaltung im besetzten Frankreich hatte diese Angelegenheiten nun von der bürokratisch-administrativen Seite aus zu bearbeiten.

Um die gleiche Zeit hat das Auswärtige Amt in Berlin, den Persönlichen Stab des Reichsführeres SS, um Stellungnahme zu der Anfrage Abetz, über antisemitische Maßnahmen, die als Grundlage dienen könnten, später auch die Juden aus dem nichtbesetzten Frankreich zu entfernen. (3)

Und am 20. Sept. 1940, beeilte sich Heydrich unter dem Briefkopf "Der Reichs-

/321/

AE 3

Führer SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern, Aktenzeichen 5-IVD6-776/40 gRs.", dem Anfrager, SA Standartenführer, Gesandten Luther, die Antwort zu geben.

Er habe keinerlei Bedenken gegen die Durchführung der von Abetz geplanten Maßnahmen und sei auch mit deren Erledigung durch die französischen Behörden einverstanden.

Abetz aber ging bereits einen Schritt weiter als wie es bisher gesehen hatten, denn er verlangte die Meldepflicht der im besetzten Gebiet ansäßigen Juden, die Kenntlichmachung der jüdischen Geschäfte und die Einsetzung von Treuhänder für jüdische Vermögschaften, deren Besitzer geflohen waren. (4)

Eine entsprechende Einschaltung der in Frankreich stationierten deutschen Sicherheitspolizei aber – so meinte Heydrich – sei empfehlenswert.

Und am 1. Oktober 1940 ergeht ein weiterer Vorschlag von Abetz in 19 facher Ausfertigung, an die verschiedensten Zentralbehörden, indem er in Zukunft für das besagte Gebiet Frankreich, Kollektivausbürgerungsverfahren für näher genannte jüdische Personengruppem durchgeführt wissen will. Er meint abschließend, daß diese angeregt Maßnahme nur als erster Schritt zur Lösung des Gesamtproblems anzusehen sei. (5)

/322/

AE 4

Die französische Regierung in Vichy hatte inzwischen in der Person von Xavier Vallat, einen "Kommissar für Judenfragen" ernannt. Dieser sprach am 3. April 1941 in der deutschen Botschaft in Paris vor. Abetz berichtete an das Auswärtige Amt, wie folgt:

"Damit in einer späteren Stufe "auch die alteingesessenen" durch die gleichen Maßnahmen wie die ausländischen und neu naturalisierten Juden erfaßt werden können, ist schon jetzt ein Gesetz notwendig, daß den französischen Judenkommissar ermächtigt, "alteingesessene" Juden, die gegen die spezialen und nationalen Interessen der französischen Nation verstoßen haben, zu "ausländischen" zu erklären."

Er habe Xavier Vallat geraten, seiner Regierung in Vichy, ein solches Gesetz vorzuschlagen. (6)

Bereits am 4. Okt. 1940 hatte die französische Regierung ein Vichy einen eigenen Judenstatut erlassen, in dem u.a. die Unterbringung jüdischer Ausländer in besonderen Konzentrationslagern vergesehen war; und mit Erlaß IVD6-229/40 v. 30 Okt. 1940 des Reichsführers SS–Chef der Sicherheitspolizei u. des SD, wurde die Errichtung besonderer Konzentrationslager für die Juden deutscher, österreichischer, ?loslowatischer und polnischer Staatsangehörigkeit,angeordnet.

Dieses teilte der Beauftragte des Chefs der

/323/

AE 5

Sicherheitspolizei u. des SD, für Belgien und Frankreich, mit dem Sitz Paris, Dr. Knochen, dem Chef der Militärverwaltung Frankreich, am 28. Jan. 1941, mit. (7)

Ich habe hier an Hand der Dokumente einen kurzen Abriß des legislativen Fundamentes, welches zur Behandlung der Judenfrage in Frankreich geschaffen wurde, aufgezeigt. Weder ich, noch mein Dezernat trat bisher dabei in Erscheinung. Es wurde durch andere Dienststellen bearbeitet. Der in meinem Referat kurze Zeit dienstlich tätig gewesene SS-Hauptsturmführer Dannecker, wurde gemäß Befehl meines Amtschefs seiner Tätigkeit im Reichssicherheitshauptamt enthoben und als Refernt dem Beauftragten des Chefs der Sicherheitspolizei, nach Paris versetzt.

Inzwischen war gemäß einer Anordnung Görings die Auswanderung von Juden aus dem Raum des "Großdeutschen Reiches", auch während des Krieges, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten, verstärkt durchzuführen. Und da um jene Zeit nur ungenügende Ausreisemöglichkeiten, besser gesagt, Einwanderungsbewilligungen, zur Verfügung standen, würde eine Auswanderung von Juden aus Belgien und Frankreich, diese wenigen Möglichkeiten weiterhin schmählern. Daher sei eine Auswanderung aus diesen Gebieten zu verhindern.

/324/

AE 6

Abschließend wird auf die zweifellos kommende Endlösung der Judenfrage hingewiesen. Dies wurde am 20. Maai 1941, allen Staatspolizeistellen, den Behörden in Frankreich, den SD-Dienststellen, sowie dem Auswärtigen Amt in Berlin, mitgeteilt. Ein Sachbearbeiter von mir hatte dieses Schreiben, gemäß eines Disposition meines Amtschefs om Reichsicherheitshauptamt, aufgesetzt; ich hatte dem Sachbearbeiter (IVB4b) die Richtpunkte des Chefs diktiert.

Mein damaliger mir unmittelbar vorgesetzter Chef, der SS-Gruppenführer und Generalleutnant, der Polizei Heinrich Müller, muß einige Tage krank oder dienstlich unterwegs gewesen sein – eine Tatsache, welche zu den allergrößten Raritäten zählte – denn sein damaliger Vertreter Schellenberg, unterschrieb diesen Runderlaß. Jener Schellenberg, der dann später nach der Ausbootung von Canaris, zu unumschränkten Herren der Deutschen Spionage und Contraspionage, kurz "Abwehr" genannt, werden sollte. (8)

Ich schnitt eben das Wort "Endlösung der Judenfrage" am. Um jene Zeit war gemäß meiner Erinnerung, unter diesem Begriff der bereits unter meiner Mitwirkung fertiggestellte "Madagaskarplan" noch zu verstehen, der diesen "Betreff" führte und über den an anderer Stelle dieser Arbeit

/325/

AE 7

ausführlicher berichtet ist. Die nun folgenden Zeilen, werden zeigen, wie dieser Plan – abgesehen von der späteren militärischen und politischen Lage, durch welche er überholt wurde – torpediert worden ist.

Ein Legationrat Dr. Zeitschel war in Paris zur Betreuung der dort befindlichen Diplomaten angestellt worden. Dies teilte Abetz dem Militärbefehlshaber in Paris mit. Dieser Dr. Zeitschel machte am 22. Aug. 1941, eine Aufzeichnung für den Botschafter Abetz. In dieser heißt es, daß die fortschreitende Eroberung und Besetzung der weiten Ostgebiete, das Judenproblem in ganz Europa in kürzester Zeit zu einer engültigen, befriedigenden Lösung bringen könnte. Man müßte dort ein besonderes Territorium für sie abgrenzen. Durch einfache militärische Befehle könnten die Juden der besetzten Gebiete wie Holland, Belgien, Luxemburg, Norwegen, Jugoslawien, Griechenland, in Massentransporten in das neue Territorium abtransportiert werden und den übrigen Staaten nahegelegt werden, dem Beispiel zu folgen. Der Madagaskarplan sei zwar an sich nicht schlecht, dürfte aber auf unüberwindliche Transportschwierigkeiten stoßen, da die Welttonnarge zu anderen Dingen wichtiger gebraucht würde, als große Mengen von Juden auf den Weltmeeren spazieren zu fahren. Ganz abgesehen davon, daß ein Transport von

/326/

AE 8

1e Millionen jahrelang dauern würde.

Er schlägt dem Botschafter Abetz nun vor, diese Angelegenheit dem Reichsaußenminister vorzutragen, damit dieser sich mit dem bereits ernannten Minister für die Ostgebiete, Rosenberg, und dem Reichsführer SS Himmler zusammensetze, um die ganze Sache in dem von ihm vorgeschlagenen Sinn zu prüfen.

Das Transportproblem der Juden in die Ostgebiete würde selbst während des Krieges durchzuführen sein.

Er bitte weiter, bei dieser Gelegenheit auch besonders zu betonen, daß in Frankreich nicht genügend Lager zu Interniereung zur Verfügung stünden und man sich infolgedessen mit allen möglichen Gesetzen und sonstigen Vorschriften durchhelfen müße, die doch im Ganzen gesehen, nur vorübergehende und nicht duchrgreifende Maßnahmen seien.

Schließlich schlägt er Abetz vor, dieses Problem auch dem gerade jetzt für Judenfragen sehr empfänglichen Reichsmarschall Göring, nahezubringen, da er sicher in seiner augenblicklichen Einstellung und nach seinen Erfahrungen des Ostfeldzuges, eine starke Stütze in der Durchführung der entwickelten Idee sein könnte.

Soweit Dr. Zeitschel.

Nun, dies mußten freudige Klänge in den Ohren des Reichsaußenministers von

/327/

AE 9

Ribbentrop gewesen sein. Behaglich war ihm sicherlich nicht zu Mute bei dem Gedanken einer federführenden Einschaltung des aktiven Heydrich mit seinen außenpolitischen Ambitionen; im Falle Madagskar. Schlimm genug für Ribbentop war schon, daß ausgerechnet Heydrich mit dem Posten eines "Stellvertretenden Reichsprotektors" für Böhmen und Mähren betraut wurde. Und Heydrichs Machthunger war grenzenlos. Dabei war Heydrich schlau, raffiniert und in seinem Sinne, von einer architektenähnlichen Konstruktosität beselt; sehr im Gegensatz zu Ribbentrop. Jedenfalls muß Abetz auf willige und freudige Aufnahme gestoßen sein, denn kurze Zeit später, oder war es zur selben Zeit fiel der Madagaskarplan als integrale Lösung.

Und für Frankreich selbst hatte Abetz, anläßlich seiner Anwesenheit im Hauptquartier die Genehmigung Himmlers erhalten, daß schon jetzt alle in den in Frankreich befindlichen Konzentrationslagern einsitzenden Juden nach dem Osten deportiert werden können, sobald dies die Transportmittel zulassen.

Dieses Ergebnis teilt Dr. Zeitschel am 8. Oktober 1941 dem Beauftragten des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD für Belgien und Frankreich, zu Händen Danneckers, mit. (Fälschlicherweise heißt es in dem Dokument "Obersturmbannführer

/328/

AE 10

Dannecker. Ich kann versichern, daß Dannecker nie über den Dienstgrad eine SS-Hauptsturmführers (Hauptmann) hinauskam und die den Dienstgrad eines SS-Obersturmbannführers (Oberstleutnant) innehatte).

Er bittet, nachdem es ihm also gelungen sei in deser Richtung die prinzipielle Einwilligung Himmlers zu erreichen, nicht locker zu lasen und alle paar Wochen einen Bericht nach Berlin loszulassen, mit der dringenden Bitte, baldmöglichst die Juden vom besetzten Frankreich abzuschieben. (9)

Damit also war die Befehlsgebung zur Deprotation von Juden aus Frankreich erreicht. Die Polizei bekam die entsprechenden Weisungen und hatte zu gehorchen. Was hätte es beispielsweise genützt, wenn ein Einzelner etwa hätte verlauten lassen, nein, ich will nicht. Die SS- u. Polizeigerichtsbarkeit wäre eingeschritten und an seine Stelle hätte ein anderer die Arbeit weiter zu führen gehabt.

Der Militärbefehlshaber in Paris drängelte, der Botschafter drängelte und dieses Drängeln hatte der Beauftragte des Chefs der Sicherheitspolizei u. des SD entgegenzunehmen. Denn Himmler hatte genehmigt.

Sobald es die Transportmittel zulassen.

/329/

AE 11

Wann lassen sie es zu?

Paris bedrängte das Reichssicherheitshauptmat. Mein Chef, der Amtschef des Amtes IV, befahl die Verhandlungsaufnahme mit dem zuständigen Dezernat des Reichsverkehrsministeriums. Der Reichsführer SS, Himmler, und der Chef der Sicherheitspolizei u. des SD, Heydrich, bestimmten den Personenkreis, bestimmten die Ausnahmen, bestimmten die Zielstation im Osten, bestimmten die Gepäckkilogrammgrenze; alles im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und anderen, politischen Zentralinstanzen, unter Angleichung an die erster Deportierungswellen von Juden aus dem Altreichsgebiet, Österreich und dem Protektorat Böhmen und Mähen, im Herbst 1941.

Kein Dezernent im Reichsverkehrsministerium hätte sagen können, wir haben keine Züge, die Transportlage erlaubt es nicht. Alles zusammen war ein bürokratisches Räderwerk, in dem ein Rädchen ein das andere greift.

Die Triebräder der Hauptwellen waren im Falle Frankreich, Dr. Zeitschel, Abetz und Ribbentrop; ferner Himmler und Heydrich.

Es ist keine Theorie.

Die Dokumente beweisen es.

/330/

AE 12

Die Deportationen aus Frankreich liefen an.

Am 23. Oktober 1941 befahl Himmler in seiner Eigenschaft als Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, die Einstellung, besser gesagt, die Verhinderung der Auswanderung von Juden mit sofortiger Wirkung. Die Evakuierungsaktionen hatten davon unberührt zu bleiben. (10)

Die Deportation wurde jedoch um die Wende des Jahres 1941/42, infolge des Weihnachtsurlauberverkehrs noch einmal verschoben. Dies teilte der Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes, SS Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei, Müller, am Heiligen Abend des Jahres 1941 um 23 Uhr dem Beauftragten des C.d.S. für Frankreich und Belgien mit. /10 Zeilen gestrichen, unleserlich/ (11)

Am 28.2.1942 bekam ich Befehl, der Dienststelle Paris auf deren Anfrage vom 27.2.1942, mitzuteilen, daß

/331/

AE 13

tausend Juden sofort nach Beendigung einer im Augenblick im Gang befindlichen Fahrplanbesprechung deportiert werden können. (12)

Aber es gab offenbar immer noch Schwierigkeiten, denn die Bürokratie aller Länder arbeitet eben in einem bürokratischen Tempo. Befehlsgemäß hatte ich für den 4.3.42 eine Judenreferenten-Besprechung in Berlin, abzuberaumen gehabt. In dieser hatte der zuständige Referent des Beauftragten des Chefs der Sipo u. des SD in Paris, neuerlich auf die Dringlichkeit einer sofortigen Deportierung hingewiesen. Auftragsgemäß hatte ich ihm eine Abnahme für den Monat März 1942 zuzusagen (13) /2 gestrichene Zeilen/ und bekanntzugeben, daß vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung durch Heydrich, schon jetzt mit der französischen Regierung in Verhandlungen wegen Abschubs von fünftausen Juden nach dem Osten eingetreten werden könne. Weisungsgemäß habe es sich dabei zunächst um männliche, arbeitsfähige Juden, nicht über 55 Jahre alt zu handeln. Ferner sei dafür zu sorgen, daß die Juden französischer Staatsangehörigkeit, vor dem Abschub oder spätestens am Tage der Deportation ihre Staatsange-

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hörigkeit verlieren, und die Vermögensabwicklung müße gleichfalls erledigt sein. (14)

Hier spuckte die von der Abteilung I des Reichsinnenministeriums ausgekochte 11. Verordnung zum Reichsbürgerschaftsgesetze, in den Köpfen meiner Vorgesetzten herum.

Als Deportierungsbeginn war gemäß Fahrplanregelung durch das Reichsverkehrsministerium der 23.3.1942 vorgesehen. (15)

Nachdem durch die Initiative des Staatssekretärs für das Sicherheitswesen in Böhmen und Mähren, Ritt. Frank und dem Reichsminster für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Goebbels die Kennzeichnungspflicht für Juden für das Gebiet des "Großdeutschen Reiches einschließlich Böhmen und Mähren" bei Hitler erwirkt war, gingen die Stellen der besetzten Gebiete daran, nunmehr auch die Juden dieser Gebiete der Kennzeichnungspflicht zu unterwerfen.

Der Militärbefehlhaber in Frankreich erließ die vom Auswärtigen Amt, Berlin, genemigte Verordnung am 7. Juni 1942. Gleichzeitig damit erfolgte seitens des Höheren SS- u. Polizeiführers in Frankreich, dem Vertreter Himmlers für dieses Gebiet, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Oberg

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für Juden ein Verbot, öffentliche Einrichtungen zu betreten und an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.

/Der Höhere SS- u. Polizeiführer war gemäß einem Befehl Hitlers, einzusetzen und war noch nicht lange Zeit im Amte gewesen.Doch versprach man sich seitens des Militärbefehlshabers, wie auch seitens der Stellen der örtlichen Sicherheitspolizei durch diese neue Regelung eine günstige Auswirkung im Hinblick auf die Endlösung der Judenfrage – gestrichen/. (16)

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II

Ich sagte schon, daß der Beginn der Deportierung aus Frankreich zum 23.3.1942 vorgesehn war und im wesentlichen auch eingehalten werden mußte. Sehr aufschlußreich in diesem Zusammenhang ist ein Fernschreiben des Chefs des deutschen Sicherheitspolizei für Frankreich, Dr. Knochen, an mein Referat vom 20.3.1942, worin er mir mitteilt, daß der Militärbefehlshaber endgültig mitgeteilt habe, daß er seinerseits keine Bewachungsmanschaften für die Deportierung der ersten tausend Juden aus Campiègne, bzw. Drancy, stellen könne. Er bittet daher mit dem deutschen Oberkommando des Heeres diese Frage der Transportbegleitmannschaften zu regeln, da dieses ja auch den Befehl zu Inhaftierung und Deportierung dieser Juden über das Hauptquartier Hitlers erwirkt habe. Als Transportabgang wurde jetzt der 28.3.1942 genant. (17)

Es ergibt sich daraus, daß neben Dr. Zeitschel – Botschafter Abetz – Reichsaußenminister v. Ribbentrop auch das Oberkommando des Heeres, für den Beginn, bzw. Das Anlaufen der Deportierungen aus Frankreich, verantwortlich ist.

Freilich mußte letzten Endes das Auswärtige Amt seine Zustimmung zu solchen Deportierungen aus dem Ausland geben; zwar war es in diesem Falle eine lediglich formelle bürokratische Notwendigkeit, da ja sein Chef persönlich, also Ribbentrop, das Einverständnis dazu gegeben hatte. (18)

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Am 26. Jan. 1942 teilte Himmler dem Inspekteur für das Konzentrationslagerwesen, dem damaligen Generalmajor der Waffen SS Gläcks, mit, daß er sich darauf einzurichten hätte 100.000 männliche und 50.000 weibliche Juden in den Konzentrationslagern aufzunehmen. Große wirtschaftliche Vorhaben seien in nächster Zukunft zu verwirklichen. Sein Chef der Gegeral der Waffen SS, Pohl, würde ihn im einzelnen unterrichten. (19) Und am 1. Februar 1942, schuf Himmler innerhalb der Konzentrationslagerleitung, eine straffere organisatorische Führung. Er ernannte Pohl zum Hauptamtchef des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes, dem Glücks als Chef der Inspektion, als Chef der Amtsgruppe D, unterstellt war. (20)

Befehlsgemäß mußte ich für den 11.6.1942 wieder einmal eine Besprechung in Berlin anberaumen, zu der ich die Judenreferenten aus Paris, Brüssel und Den Haag, auf dem Diesntweg, zu laden ahtte. Glücks hartte inzwischen Aufnahmevorbereitungen in Auschwitz getroffen und Himmler befahl die Deportation von 100.000 Juden aus Frankreich, 15.000 aus den Niederlanden und 10.000 aus Belgien.

Gemäß Himmlers Weisung war Grundbedingung, daß die Juden zwischen 16 und 40 Jahre alt sind, wobei er 10 % nichtarbeits-

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fähige Juden tolerierte. Ab 13.7. 1942 sollten diese Transporte gefahren werden und zwar wöchentlich deren drei. (21)

Als Himmler diesen Befehl seinem Chef der Sicherheitspolizei u. des SD erteilte lebte dieser noch. Aber am 29. Mai 1942 wurde er durch eine Bombe, verletzt. Sieben Tage später erlag er seinen Verwundungen.

Heydrich war tot. Himmler selbst übernahm die Leitung seines Reichssicherheitshauptamtes und sollte sie bis anfang Januar 1943 beibehalten. Erst um diese Zeit wurde Dr. Kaltenbrunner zum Nachfolger Heydrichs in sein Amt eingeführt.

Der Tod Heydrichs löste allenthalben verschärfte Aktionen auch gegen die Juden aus. Himmler befahl nunmehr, in Abweichung seines ursprünglichen Befehles, sämtliche Juden, ohne Rücksicht auf Altersgrenzen und Geschlecht zu deportieren. Und zwar sobald als möglich; sowohl aus dem besetzten, als auch aus dem unbesetzten Teil Frankreichs. Ich selbst wurde auf Befehl meines Amtchefs Müller nach Paris in Marsch gesetzt, um diesen Himmler-Befehl zu überbringen. (22)

Der von Dannecker am 1.7.1942, nach seinen Notitzen von ihm in Paris abdiktierte Vermerk, weist zwar eine Reihe von bürokratischen Unmöglichkeiten und Mängeln auf, so

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beispielsweise der "Kopf" (RSHA = Reichssicherheitshauptamt, IV B4, in Verbindung mit dem Ort "Paris" gibt es nicht). Der Vermerk ist weder beglaubigt noch gesiegelt. Es ist werder meine, noch Danneckers Unterschrift.

Jedoch sinngemäß erkläre ich ihn als ungefähr richtig wiedergegeben.

Längst schon war Dr. Knochen in Paris zum SS-Standartenführer und Oberst der Polizei befördert worden und seine Dienststellung war die eines Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD, in Frankreich. Nach dem Himmler Befehl, sämtliche Juden aus Frankreich zu deportieren, wurden seitens der örtlichen Stellen in Paris die Kontakte mit den französischen Stellen aufgenommen insenderheit mit dem französischen Polizeichef Darquier de Pellepoix und dessen Vertreter Laguay. Mit dem Chef der Judenkartei in der Präfektur Paris, Direktor Tulard; ferner mit dem Vertreter des Präfekten Seine, Direktor Garnier; dem Direktor der antijüdischen Polizei Schweblin u.a.m. (23)

Das Unausbleibliche nach einer solch scharfen Befehlsgebung von höchster Stelle, trat ein.

Die Deportationen begannen im großen Stil.

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Am 10.7.1942 teilte Paris meinem Dezernat mit, daß 4000 jüdische Kinder bei der Verhaftungswelle auftreten würden und verlangte dringende Fernschriftliche Entscheidung darüber, ob die Kinder der abzutransportierenden staatenlosen Juden,vom 10. Transport ab, mit abgeschoben werden können. Elf Tage später erhielt ich seitens meines Vorgesetzten Befehl, Paris mitzuteilen, daß, sobald der Abtransport in das Generalgouvernement wieder möglich ist, diese Kinder deportiert werden müßen.

Ich hatte um jene Zeit selbst drei kleine Kinder. Mehr möchte ich hier an dieser stelle nicht sagen. (24)

Und wieder einmal mußte ich zu einer Arbeitstagung an die Judensachbearbeiter des Auslandes, Einladungen ergehen lassen, und zwar für den 28.8.1942. Der Grund hierfür war Himmlers Befehl den Abschub der staatenlosen Juden bis Ende des Kalenderjahres 1942 abzuschließen und als Endtermin für die Deportation der übrigen Juden hatte er Juni 1943 angeordnet.

In diesem Zusammenhang ist eine der berüchtigten Rademacherischen handschriftlichen Notitzen auf einem solchen Ladungsschreiben an den SS-Hauptsturmführer Richter, Bukarest,

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welche über das Auswärtige Amt zu leiten waren – bemerkenswert.

Er schreibt hier, daß siche die Tagung mit technischen Fragen der Lagerführung beschäftige und fast ausschließlich aus zwei Besichtigungen von Lagern bestünde.

Die Phantasiererei des Legationsrates Rademacher vom Auswärtigen Amt bestätigt am deutschsten ein Vermerk, den ein SS-Unersturmführer Ahnert, für seine Vorgesetzten in Paris gefertigt hat und worin er die Besprechungspunkte geanu schildert. Der Vermerk datiert vom 1. Sept. 1942. Die einzige Stelle, welche etwas mit "Lagern" zu tun haben könnte, ist jener Punkt, indem es heißt, daß ich die Tagungsteilnehmer ersuchte, "den Ankauf der durch den Befehlshaber der Sicherheitspolizei Den Haag, bestekkten Baracken sofort vorzunehmen. Das Lager soll in Rußland errichtet werden. Der Abtransport der Baracken könne so vorgenommen werden, daß von jedem Transportzug 3 – 5 Baracken mitgeführt werden." Ich habe hier einen Befehl meiner Vorgesetzten weiter gegeben. Offenbar hörte Rademacher irgend etwas und reimte sich eine Notitz nach seiner Art, zusammen. (25)

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Himmler schrieb im Dezember 1942 an meinen Amtchef Müller: "Ich ordne an, daß von den jetzt in Frankreich noch vorhandenen Juden °ebenso von den ungarischen und rumänischen Juden° /Einfügung von Seite 340/ alle diejenigen, die einflußreiche Verwandte in Amerika haben, in einem Sonderlager zusammen zu fassen sind. Dort sollen sie zwar arbeiten, jedoch unter Bedingungen, daß sie gesund sind und am Leben bleibem. Diese Art von Juden sind für uns wertvolle Geiseln. Ich stelle mir hierunter eine Zahl von rund 10.000 vor." (26)

So aber war der bisherige Ablauf in Frankreich. Jeder drängte, und jedermann in den verschiedenen Zentralinstanzen, so er mir eine eingermaßen einflußreiche Stellung innehatte, wollte seine "Lauterkeit als nationalsozialistischer Amtsstelleninhaber" durch Antreiben und Vorschläge im Hinblick auf "Lösung der Judenfrage" unter Beweis stellen.

Den Druck, der dann von oben kam, mußte die Polizei aushalten. Sie wurde einfach befallen; ihr wurden Termine gestellt. Allen ging es zu langsam; alles fand die verzapfte polizeiliche Bürokratie für zu langatmig. Die Polizei, welche den gesamten Mist, der in den Zentralnstanzen zusammengebraut wurde, dann durchzuführen hatte. Aber so war es und so wird es wohl auch /immer – gestrichen/ bleiben. Daher sage ich,

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daß der Polizeidienst, zumal den Dienst in einer politischen Plozei, das Schlimmste ist, womit einem das Schicksal strafen kann. Es nützt auch gar nichts, wenn man etwa sagen würde, daß wenn jedermann seine Finger aus einer politischen Polizei ließe, es eben keine gebe. Solange es den Befehl gibt, in Verbindung nit dem herrschenden System im Zusammenleben der Völker, solange wird es auch politische Polizeien geben. Trotz Cartas, UNO, nur trotz Tod und Teufel.

Nun, ich will nicht jetzt fortfahren zu schildern, wie die Dinge weiter liefen. Zuvor nur noch dies: wäre ich anstatt Befehlsempfänger, Befehlsgeber gewesen, wäre ich anstatt Adolf Eichmann, nun sagen wir einmal nur Dr. Zeitschel, dann würde ich nicht in der Lage sein, auch nur eine Zeile aus dem ganzen grausigen Geschehen zu berichten; denn bei jedem Wort müßte ich die Anklage hören "Du bist der Schuldige". Und die Feder würd sich in meiner Hand streuben. Aber ich habe, /Zeile gestrichen/, weder solche noch ähnliche Vorschläge gemacht. Daher kann ich jenes, was geschah auch berichten. Dies fiel mir gewissermaßen so nebenbei gerade ein. Und wenn gleich solche Gedanken eingentlich in ein anderes Kapitel dieser Arbeit gehörten, so nahm ich mir trotzdem nicht die Mühe, es

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sorgsam abwägend an seine, eigentlichen Platz festzunageln, de der Meinung, daß wer dies alles lesen will, ohnedies von selbst an diese Stelle kommt.

Es ist ein Vermerk der Beamten der Dienststelle das Befehlshabers der Sicherheitspolizei u. des SD, Paris, vom 9.9.1942, erhalten geblieben. In diesem lesen wir: "Nach dem vom Reichsführer SS vertraulich bekannt gegebenen Plan sollen die von Deutschland besetzten Gebiete bereits bis zur Mitte des Jahres 1943 judenfrei sein." (27)

Und der nunmehrige Unterstaatssekretät im Auswärtgen Amt zu Berlin, Luther informiert am 24. 9.1942 seinen Staatssekretär v. Weizsäcker, daß ihm der Reichsaußenminister eben telephonisch die /folgende – gestrichen/ Weisung erteilt habe, daß die Evakuierungen der Juden aus den verschiedensten Ländern Europas möglichst zu beschleunigen seien. Luther hatte Ribbentrop kurz über die im Gange befindlichen Judendeportationen aus der Slovakei, Kroatien, Rumänien und den besetzten Gebieten Vortrag gehalten. Der Reichsaußenminister – so fährt Luther in seiner Dienstnotitz fort -, habe angeordnet, daß das Auswärtige Amt nunmehr an die bulgarische, an die

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ungarische und an die dänische Regierung herantreten soll, mit dem Ziel, die Judendeportationen aus diesen Länadern in Gang zu setzen.

Nur bezüglich Italien habe sich der Reichsaußenminister das Weitere selbst vorbehalten; denn diese Frage solle entsprechender zwischen Hitler und Mussolini, oder zwischen den Außenministern Deutschlands und Italiens, persönlich besprochen werden. (28)

Inzwischen hatte sich nämlich nicht nur die Haltung Frankreichs bezüglich der weiteren Judendeportationen versteift, sondern auch – und ganz besonders – seitens Italien wurden dem diesbezüglichen Wollen der Deutschen Reichsregierung, die größten Schwierigkeiten in die Wege gelegt.

Auf die von Himmler befohlene völlige Entjudung aller besetzten Gbiete, bis Mitte 1943, schickte sein östlicher Vertreter in Frankreich, der Höhere SS u. Polizeiführer , /Zeile gestrichen/, an Himmler ein Fernschreiben, in dem er ihm die besonderen Schwierigkeiten der Regierung Laval und die Einstellung Pétain‘s, schilderte; insbesonderlich im Hinblick auf eine Deportation von Juden mit französischer Staatsangehörigkeit. Die Haltung Italiens war für

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die französische Regierung gleichsam das Fanal.

Himmler schloß sich auch - wenigstens rein äußerlich – der durch Oberg? Dargelegten Auffassung an und verfügte, daß zunächst keine Juden französischer Staatsangehörigkeit festgenommen werden dürften. Damit war eine weitere Deportation in größerem Stil zunächst nicht möglich.

Himmler hatte augenscheinlich seinen eigenen "Entjudungsbefehl" zurückgenommen; aber wie gesagt, nur augenscheinlich.

Er hatte um jene Zeit, es sit der September 1942 noch immer die Leistung seines Reichsicherheitshauptamtes selbst in Händen und er befürchtete ein Ausbreiten einer versteifenden Haltung in der Judenfrage auf die anderen europäischen Länder, insoweit sie unter deutschem Einfluß standen. (29)

Er schickte daher nun seinen höchsten militärischen Dienstgrad über den er befahl, den SS-Oberstgruppenführer und Generaloberst der Polizei, Daluege, zur Klärung der Situation nach Paris und Marseille. Vor allem konnte er sich an Ort und Stelle über eine neue Note der italienischen Regierung an Laval, dem Ministerpräsidenten der Vichy-Regierung,

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informieren, in der die Italiener den Franzosen mitteilten, daß sie zwar keine Einwendungen gegen Maßnahmen französischerseits, in den von Italien besetzten Gebiet, betreffend die Juden französischer Staatsangehörigkeit machen, daß sie aber ihre Hände von den Juden ausländischer Staatsangehörigkeit weg zu lassen hätten.

Dies mußte Laval naturgemäß in große Schwierigkeiten bringen. Er brachte dies den deutschen Stellen offiziell zur Kenntnis und bat sie um entsprechende Unterstützung.

Der Bericht Dalueges an Himmler liegt nicht vor; aber der Inhalt ist nicht sehr schwer zu erraten. Im übrigen werden die nächsten Seiten, die nun folgende Aktivität in genügendem Maße aufzeigen.

Neben dieser Informatinsreise des Generalobersten Daluege, schrieb der Befehlshaber der Sicherheitspolizei u. des SD Paris, am 13. Jan. 1943 an meinen Amtchef Müller und bat ihn, Himmler möglichst umgehend von dieser Methode der Itliener in Kenntnis zu setzten; und er schloß mit der Feststellung, daß beim derzeitigen Stand der Dinge nicht damit gerechnet werden könne, daß in den nächsten Zeiten Juden französischer Staatsangehörigkeit überstellt werden können. (30)

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So also hatten sich die Dinge seit dem Schreiben des Höheren SS- u. Polizeiführers in Frankreich an Himmler, vom 26. Sept. 1942, versteift. Auch der an der deutschen Botschaft unter dem Botschafter Abig diensttuende Gesandte Schleier, berichtet am 23. Jan. 1943, an das Auswärtige Amt, daß eine grundsätzliche Bereinigung der Judenfrage nur durchgeführt werden könne, wenn es gelingt, die Italiener auf die Linie der deutschen Judenmaßnahmen zu bringen und er erbitttet Drahtanweisungen über weitere Behandlung der Angelegenheit. (31)

Der Schwerpunkt der Deutschen sicherheitspolizeilichen Dinge in dieser Hinsicht auch der des Auswärtigen Amtes, wird nun vorübergehend nach Rom verlegt.

Ein Geheimbericht des französischen Präfekten in Nizza, den dieser nach Vichy, an seinen Ministerpräsidenten gerichtet hat, gelangt zur Kenntnis der deutschen Sicherheitspolizei in Paris und Dr. Knochen schickt ihn an Müller ebenfalls mit der Bitte um umgehende Vorlage an Himmler, da er außerordentlich aufschlußreich für die Haltung der Italiener in der Judenfrage sei. (32)

In diesem Zusammenhang ist es interessant, die damalige offizielle Lesart der italienischen Haltung zu hören. Der Befehlshaber der IV. Italienischen

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Armee, hatte den zuständigen französischen Stellen mitgeteilt, "die italienische Regierung gestatte nicht, daß Personen, die sich einer anti-italienischen oder anti-deutschen Propaganda hingeben könnteb, ihrer Aufsicht entzogen würden." Dies teilte der Befehlshaber der Sicherheitspolizei Dr. Knochen, am 3. Februar 1943, dem deutschen Oberbefehlshaber West, über den Militärbefehlshaber in Frankreich, mit. Und er bemerkte, daß auf eine Entfernung aller Juden aus allen Grenz- und Küstendepartements des neubesetzten Gebietes, aus dringenden Sicherheitspolizeilichen Gründen bestanden werden müßte und bat um Intervention bei dem italienischen Oberbefehlshaber in Südfrankreich. (33)

Inzwischen wurde seitens des Auswärtigen Amtes die deutsche Botschaft in Paris mobil gemacht und zur ersten offiziellen Fühlungnahme beim ital. Außenministerium veranlaßt. (34)

Auch ich wurde durch meinen Amtchef Heinrich Müller nach Paris in Marsch gesetzt, um Knochen, dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei, die Weisung ui überbringen, ungeachtet aller Schwierigkeiten, die Deprtierung aller Juden französischer Staatsangehörigkeit durchzuführen. Ich überbrachte dies, gemäß Befehl meiner Vorgesetzten. Nichts zeigt deutlicher, meine

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Rolle als Nachrichtenübermittler, als der sofort nach meiner Auftragerledigung von Dr. Knochen an Müller gerichtete Brief vom 12.Febr. 1943. Er nimmt auf meine Mitteilung Bezug, nimmt ferner Bezug auf seine verschiedenen Berichte in dieser Angelegenheit, geht sodann auf die möglicherweise entstehenden Komplikationen in politischer Hinsicht ein und teilt mit, falls die Deportationen befohlen werden sollten, damit zu rechnen sei, daß das französische Staatsoberhaupt Pétain, sich dagegen stellen würde und sie verbeitet. Um die Maßnahmen für Gesamtfrankreich durchzuführen, sei Voraussetzung, daß auch im italienisch besetzten Gebiet, die Maßnahmen durchgeführt werden dürfen. (35)

Nun folgen einige aufregende Stunden. Sowohl im Reichsicherheitshauptamt, als auch im Auswärtigen Amt.

Ribbentrop selbst, der sich persönlich die Regelung der Frage in Italien vorbehalten hatte, wurde lebendig. Er teilte dem Chefadjudanten beim Reichsführer SS – Himmler, dem General der Waffen SS Wolff, am 24. Februar 1943, morgens mit, daß die Reichsführung SS, ihm unverzüglich Mitteilung aller ihrer Wünsche, die Judenfrage in Italien und den von Italien besetzten Gebieten betreffend, machen möge. Diese sollten in Rom be-

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sprochen werden. Er wünschte alle Einzelheiten mitgeteilt zu haben, damit in eingehender Besprechung mit Mussolini, eine klare, konkrete Regelung erzielt werden könne. Es wurde ferner gebeten, dafür Sorge zu tragen, daß diese Antwort "uns noch am 24. Februar, vormittags in Rom zugehet". Dies schrieb der Gesandte Sonnleithner, aus dem Sonderzug Ribbentrops, "Westfalen", der sich bereits auf dem Wege nach Rom befand.

Noch am gleichen Tage wurden dem Sonderzug die Wünsche durch Fernschreiben gesandt. Ich hatte sie nicht bearbeitet, also müßen sie von Müller an das Ausw. Amt gegeben worden sein; außerdem scheint es gemäß den Dokumenten so, als sei ein Teil der Wünsche auch direkt von Himmler durchgegeben worden. Nämlich "Judenmaßnahmen in Italien, gleich wie in Deutschland". Ferner, daß "Judenmaßnahmen im neubesetzten Franreich und in Griechenland von den italienischen Militärbefehlshabern in diesen Gebieten, nicht weiter sabotiert werden sollen".

Außerdem wurde nach dieser ersten Reakiondas Reichssicherheitshauptat ersucht, seine Wünsche noch zu konkretisieren und diese am 25. Februar, dem Auswärtigen amt zu übermitteln. Bisher spielte sich dies alles innerhalb der

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Regionen meiner Vorgesetzten ab. Aber im Auswärtigen Amt, wurde der damalige Schabearbeiter, Legationsrat von Hahn seites seiner Vorgesetzten entsprechen "getreten", die vermaledeite "Konkretisierung", endlich herbeizuzaubern, auf die Ribbentrop in Rom wartete. Nun einen Himmler konnte man nicht treten, meinen unmittelbaren Vorgesetzten, den Generalleutnant der Polizei wollte man wohl auch nicht über Gebühr hetzen. Aber da gab es ja im Reichssicherheitshauptamt noch den Obersturmbannführer Eichmann; den konnte man wohl treten. "Weisungsgemäß teile ich Ihnen mit, so schrieb mir Hahn, mittel Schnellbrief am 25. Frebr., durch Boten überbracht, daß der Herr Reichsaußenminister heute morgen erneut sich nach dem Verbleib der von Ihnen in Aussicht gestellten Konkretisierung der Wünsche der Reichsführung SS, zur Judenfrage in Italien und den von Italien besetzten Gebieten, erkundigt hat.

Der Gesandte Bergmann hat die Übermittlung dieser Angaben für heute abend zugesagt." –

Ich mußte ja selbst auf die "Konkretisierung" warten, die meine Vorgesetzten zusammen brauten. Ich konnte auch nichts weiter tun, als das Auswärtige amt, gemäß den erhaltenen Terminen, zu vertrösten.

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Schließlichbekam ich diese mit dem Befehl für die Reinschrift und Vorlage wecks Unterschrift durch Müller, Sorge zu tragen.

Sie bestanden aus einem alten Schreiben Himmlers an Ribbentrop v. 29. Jan. 43; hier schrieb er unter u.a., daß das Verbleiben der Juden im italienischen Machtbereich für viele Kreise in Frankreich und in ganz Europa der Vorwand wäre, in der Judefrage leiser zu treten, weil darauf hingewiesen würde, daß nicht einmal unser Achsenpartner Italien, in der Judenfrage mitginge.

Ferner wurden gemäß der Bitte des Gesandten Bergamnn einige der wichtigsten Fälle in dieser Angelegenheit angeführt.

So, eine Mitteilung des Beauftragten des franzäsischen Polizeichefs Bousquet, an den Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Paris, mit dem Inhalt der Note, welche die italienische Regierung dem franz. Ministerpräsidenten Laval überreicht hat.

Ferner den Bericht Marcel Ronaix, Missionsbeauftragter bei Laval, den dieser nach einer Dienstreise, Laval erstattete, u.ä.m-

Müller unterschrieb die Reinschrift und das Schreiben ging am 25. Februar 1943 an das Auswärtige Amt aus. (36)

Unterschriftkürzel

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Ich erhielt nun Befehl, unter Bezugnahme auf das Fernschreiben Dr. Knochens an Müller, vom 13.1.1943, indem er meldete, daß der Generaloberst der Polizei Daluege, in Paris und Marseille zur Information war, dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei Paris, mitzuteilen, daß sein Fernschreiben inhaltsgemäß dem Auswärtigen Amt mitgeteilt wurde und Ribbentrop mit Mussolini, die Haltung Italiens zur Judenfrage zur Sprache bringen werde.

Der deutsche Botschafter v.Mackensen in Rom, erheilt im weiteren Verlauf der Dinge den Auftrag, Mussolini am 18. Mürz 1943 eine Aufzeichnung Ribbentrops zu überreichen und zwei Tage später wurde ihm unter anderem, im auftrage Mussolinis mitgeteilt, daß der "vom Duce persönlich als besonders energische bekante" Polizeiinspekteur Lospinoso, den Befehl erhalten habe, die gegeständlichen Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen. (37)

Genauere Angaben über die Tätigkeit dieses neuen Mannes, vermittelt ein Fernschreiben meines damaligen Chefs, Müller, an Knochen Paris, vom 2.4.1943. Darin gibt er Bericht un Aweisung wie folgt: "Während meines Aufenthaltes in Rom am 27.3.43, habe ich im Auftrage des Reichsführers SS, sowohl mit dem deutschen Botschafter, als auch mit dem Chef der

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italienischen Polizei, die Judenfrage in dem neubesetzten französichen Gebeit besprochen. Die italienische Polizei hat auf Grund einer klaren und energischen Anweisung des Duce, den Generalinspekteur der italienischen Polizei Lospinoso und als dessen Vertreter, den Vizequestor Luceri, mit einigen Mitarbeitern, in das von Italien besetzte Gebiet entsandt, um in engster Zusammenarbeit mit der deutschen Polizei, die Judenproblem wie sie insbesondere zu Zeit aufgetaucht sind, im deutschen Sinne einer Regelung zuzuführen.

Generalinspekteur Lospinoso befindet sich bereist seit einigen Tagen in Frankreich. Ich gebe hiervon Kenntnis, mit der Bitte, mit Lospinoso sofort Verbindung aufzunehmen und zu erforschen, mit welchen Aufträgen er versehen ist. Ich bitte um Mitteilung."

Jetzt beginnt die Suche nach dem Generalinsekteur der italienischen Polizei. Knochen muß an Müller Fehlanzeige durchgeben und dieser sieht sich genötigt, am 9.4.43 abermals persönlich einzugreifen, indem er den Polizeiattaché bei der deutschen Botschaft in Rom veranlaßt, beim italinischen Polizeichef zu erwirken, daß Lospinoso entweder nach Berlin kommt, oder sich unmittelbar persönlich mit dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei,

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Paaris, in Verbindung setzt.

Auch ich wurde mit der Lospinoso-Suchaktion befasst, indem ich Befehl erhielt, dem zuständigen Referenten im Auswärtigen Amt, Legationsrat Dr. von Thadden, die Wünsche meines Chefs, zu übersenden. Sie gipfelten darin, auch das Auswärtige amt möge sich in die Suchaktion mit einschalten. Mackensen, der deutsche Botschaften in Rom wird erneut in Trab gesetzt; er schlägt vor, daß sich der zuständige italienische Polizeiführer mit dem zuständigen deutschen Polizeiführer treffen mögen. Als Termin nannte er den 18. Mai, in der Dienststelle des Befehlshabers der Sicherheitspolizei u. des SD in Paris Avenue Foche 72.

Aber selbst am 24. Mai muß der Befehlshaber dem Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes berichten, daß auch die italienische Botschaft in Paris weder über Lospinoso noch über seine geplante Reise Auskunft zu gben in der Lage ist; und er bittet nochmals bei der italienischen Regierung anzufragen, ob überaupt noch mit dem Besuch gerechnet werden kann.

Die Sache klärte sich aber am 1. Juni 1943 insofern auf, als die italienischen Stellen anläßlich des letzten Besuches v. Mackensen im italienischen Außenministerium, "eine derartige Zusammenkunft für zur Zeit als unzweckmäßig erachten". (38)

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Inzwischen tat sich in Frankreich etwas anderes. Laval, sowie der neue Justizminister Cabolde hatten einen gesetzentwurf unterzeichnet, nachdem alle seit dem 10.8.1927 naturalisierten Juden, für staatenlos erklärt wurden. Dieses Gesetz wurde mit den italienischen Behörden besprochen und am 30.6.1943 wurde mit Bosquet, dem französischen Polizeichef vereinbart, wie die betreffenden Juden, schlagartig mit dem Tage der Verkündung des Gesetzes festzunehmen seien.

Dr. Knochen forderte von Müller die Abstellung von mindestens 250 Sicherheitspolizei zusätzlich, für die Dauer von 10 Tagen welche die französische Sprache einigermaßen beherrschen müßten.

Müller antwortete postwendend; die Wiederingangsetzung der Aktion sei zwar erfreulich, zumal Himmler gerade in diesen Tagen eine Beschleunigung der Arbeiten verlangt habe, aber er müße leider mitteilen, daß er zusätzlich lediglich 4 Mann, abzustellen in der Lage wäre, und er verwies auf die, dem Höheren SS- u. Polizeiführer in Frankreich, zur Ver?gung stehenden Polizeikräfte,von denen jener, Kontingente abstellen möge. (39)

/357/AE 37

Dafür konnte am gleichen Tage, nämlich am 2. Juli 1943, der Höhere SS- u. Polizeichef SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei Oberg an Kaltenbrunner und Himmler die Nachricht durchgeben, daß der französ. Polizeichef Bousquet ein Vichy den Besuch von Lospinoso empfing, der ihm mitteilte, daß er sich z.Zt. mit der Konzentrierung von 60.000 Juden ausländischer Staatsangehörigkeit, im italienischen Operationsgebiet befaße. /1 ½ Zeilen gestrichen/ Nach Bousquet, habe sich Lospinoso ihm gegenüber geäußert, daß die Deutschen sehr hart in der Durchführung der Maßnahmen gegen die Juden seien, die Franzosen härter als die Italiener, während Italien eine humane Lösung anstrebe.

Himmler verfügte, diese Meldung des Höheren SS- u. Polizeiführers, dem Reichsaußenminister zu übermitteln. (40)

Auf Weisung seiner Vorgesetzten suchte der Legationsrat im Auswärtigen Amt, Dr. von Thadden, am 16.10.43, meinen Chef, SS-Gruppenführer Müller auf, wegen der technischen Ddurchführung der Judenfrage in den neubesetzten Gebieten und führte dabei aus, daß das Auswärtige amt, nach den Erfahrungen

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in Dänemark besonderes Interesse daran habe, daß Judenaktionen in anderen Gebieten mit ausreichenden Mitteln und ausreichender Vorbereitung durchgeführt würden, damit schwere politischen Komplikationen im Rahmen des Möglichen vermieden würden. Müller meinte dazu, auch das Reichssicherheitshauptamt habe aus den Erfahrungen von Kopenhagen vieles gelernt. Der Zeitpunkt jedoch, zu dem ausreichenden Polizeikräfte zur Verfügung stünden, um die in den besetzten Gebieten notwendigen Judenaktionen schlagartig durchzuführen, würde für die Dauer des Krieges wohl nicht mehr kommen. Man könne daher nur mit den zur

Verfügung stehenden Mitteln das Beste herausholen, was bei dieser Aktion möglich sei, um die befohlenen Aktionen durchzuführen. Zu dem bisher von italienischen Truppen besetzten Gebiet Frankreichs meinte er, daß die beschleunigte Durchführung einer Aktion ein sicherheitspolizeiliches Problem erster Ordnung seu, dessen Lösung trotz der beschränkt zur Verfügung stehenden Kräfte sofort in Angriff genommen werden müße. (41)

/gestrichen – Hitler hatte auf Vorschlag Rosenbergs angeordnet, in den besetzten Gebieten Bibliotheken, ?, Logen und sonstige weltanschauliche und kulturelle Einrichtungen aller Art nach entsprechendem Material zu durchforschen und sicherzustellen.

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Ebenfalls Kulturgüter "Die im Besitz oder Eigentum von Juden herrenlos oder nicht einwandfrei zu klärender Herkunft waren".

Mit der Durchführung dieser Aufgabe wurde der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg beauftragt und im Zuge dieser Erfassung wurden auch die Möbel und sonstigen Einrichtungsgegenstände aus jüdischen Wohnungen ebenfalls sichergestellt und diese für die besetzten Ostgebiete zu dortigen Verwendung abgefahren.

Auf Vortrag des Reichsleiters Rosenberg hatte Hitler durch Schreiben des Reichsministers und Chef der Reichskanzlei vom 31.12.41, hierzu seine Zustimmung gegeben.

½ Zeile unleserlich./

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Holland:

Es fing mit 400 Judenan, welche in das Konzentrationslager Mauthausen, in Oberösterreich liegend, deportiert wurden.

Der Generalkommisar für das Sicherheitswesen für die besetzten niederländischen Gebiete hatte die Verfügung erlassen. Es war dies der Höhere SS u. Polizeiführer beim Reichskommisar für die besetzten niederländischen Gebiete; sein Dienstgrad und Mane war: SS Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei Rauter. Der Reichskommisar jener Zeit, war Dr. Seyss Inquart, der ehemalige österreichische Regierungschef, zur Zeit der Wiedervereinigung Österreichs mit den Deutschen Reich im Jahre 1938. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes, beim Reichskommisar, ein Gesandter Bene, teilte seiner Berliner Zentrale mit, daß die Deportation aus Anlaß der Niederschlagung eines SA-Mannes verfügt wurde und der Gesandtschaftsrat Mohr, ergänzte tags darauf, dam 26. Februar 1941, diese Meldung seines Chefs mit dem Bemerken, daß auch eine deutsche Patronille im Amsterdamer Judenviertel mit Giftstoffen bespritzt worden sei.

Die Folge dieser Deportation war ein Sympathiestreik verschiedener öffentlicher Einrichtungen im Amsterdam.

Im Juni desselben Jahres wurde aber

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noch etwa 260 Juden in ein Konzentrationslager ans Holland verbracht. Am 5. Nov. 1941 benötigte der Legationsrat Rademacher vom auswärtigen Amt, eine Stellungnahme des Reichssicherheitshauptamtes, zur Frage der weiteren Behandlung der in deutschen Konzentrationslagern einsitzenden niiederländischen Juden. Er benötigte sie zur Beantragung der von der Schwedischen Gesandtschaft als Schutzmachtvertretung der Niederlande, eingereichten diesbezüglichen Verbahnten.

Der Hauptanlaß hierzu war der, daß dem Jüdischen Rat von Amsterdam mitgeteilt wurde, es seien bisher über 400 dieser Häftlinge verstorben.

Rademacher schrieb daher an Müller, daß das Auswärtige Amt zwar grundaätzlich auf dem gleichen Standpunkt wie das Reichssicherheitshauptmat stehe und es befürworte seinerseits die Reppressalien-Maßnahmen gegen Juden als Urheber der Unruhen, aber es möge Sorge dafür getragen werden, daß bei der Mitteilung der Todesfälle möglichst nicht der Eindruck entstehe, die Todesfälle ereigneten sich jeweils in bestimmten Tagen. (42)

Im Juni 1942 wurde die Kenzeichnung der Juden angeordnet, der alsbald weitere Beschränkungsauflagen, wie nächtliches Ausgehverbot, Verkehrsmittelbenutzungsverbot, Berufseinschränkungen usf., folgten. (43)

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Der Vertreter des Auswärtigen Amtes beim Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete, machte eine Vorlage bei seiner Berliner Zentralinstanz, mit dem Vorschlag, sämtliche niederländischen Juden ihrer Staatsbürgerschaft für verlustigt zu erklären. Dementgegen hielt das Auswärtige Amt unter dem 20. Juli 1942, es für wünschenswert, durch eine Verordnung des Reichskommissars, die niederländische Judengesetzgebung dadurch der des Reiches anzupassen, daß mit sofortiger Wirkung alle niederländischen Juden die ihren Aufenthalt im Ausland haben, oder ihren Wohnsitz nach dem Ausland verlegen, Analog der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.11.1941, ihre Staatsbürgerschaft verlieren. (44) Wobei es unerheblich sie, ob der in Frage kommende Jude aus freiem Antrieb das Land verlassen hat, oder deportiert wurde. Dieses wurde durch den Unterstaatssekretär Luther, dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt v. Weizsäcker am 10. August 1942 mit der Bitte um Weisung vorgelegt und von diesem genehmigt.

Schon am 29. Juli 1942 meldete der Vertreter des Auswärtigen Amtes in Den Haag, Gesandter Bene, daß die ersten beiden Deprtationstransporte ohne irgendwelche Schwierigkeiten abgegangen seien und der Höhere SS u. Polizeiführer (Rauter) daher

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die Absicht habe, diese Organisation so zu fördern, daß wöchentlich bis zu 4.000 Juden abgefahren werden sollten. (45)

Am 24. Sept. 1942 erfogte der erste große Zwischenbericht des SS-Gruppenführers und Generalleutnant der Polizei Rauter, in Form eines persönlichen Schreibens an den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler. Er schreibt u.a.

"Bis jetzt haben wir mit den strafweise nach Mauthausen abgeschobenen Juden, zusammen 20.000 Juden nach Auschwitz in Marsch gesetzt. In ganz Holland kommen ungefähr 120.000 Juden zur Abschiebung. Im Einvernehmen mit dem Reichskommissar schiebe ich aber auch alle jüdischen Teile der Mischehen ab, sofern aus diesen Mischehen keine Kinder hervorgegangen sind. Es werden dies ca. 6.000 Fälle sein. Ich will versuchen, anstatt 2 Züge je Woche, deren 3 zu erhalten. 30.000 Juden werden ab 1. Oktober abgeschoben. Ich hoffe, daß wir bis Weihnachten auch diese 30.000 Juden weg haben werden, sodaß dann im ganzen 50.000 Juden, also die Hälfte, aus Holland entfernt sein werden.

Am 15. Oktober wird das Judentum in Holland für vogelfrei erklärt. Jeder Jude, der irgendwo in Holland angetroffen wird, wird in die großen Judenlager eingezogen. Es kann also kein Jude, der nicht privilegiert ist, sich mehr in Holland sehen lassen.

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Gleichzeitig beginne ich mit Veröffentlichungen, wonach Ariern, die Juden versteckt gehalten oder Juden über die Grenze verschoben oder Ausweispapiere gefälscht haben, das Vermögen beschlagnahmt und die Täter in ein Konzentrationslager überführt werden; das alles, um die Flucht der Juden, die in großem Maße eingesetzt hat, zu unterbinden. Das Judenlager Westerbork ist bereits ganz fertig, das Judenlager Vught wird am 10. – 15. Oktober vollendet sein.

Heil Hitler, Ihr gehorsamt ergebener Rauter."

Himmler schrieb auf die erste Seite dieses Geheimberichtes, "sehr gut". (46)

Im April des darauffolgenden Jahres berichtete der Regierungsrat Zöpf, (Referent beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei u. des SD, Den Haag, Generalmajor der Polizei Dr. Harster) an mein Referat nach Berlin, daß von den ursprünglich gemeldeten 140.000 Juden, inzwischen 68.300 Juden das Land verlassen haben. Und zwar 6.000 durch Auswanderung und Landesflucht; 4000 in reichsdeutsche Konzentrationslager; 300 nach Theresienstadt und 58.000 in 60 Sonderzügen nach dem Osten. (47)

Es ist ein Vermerk des SS-Brigadeführers und Generalmajor der Polizei Dr. Harster, vom 6.5.1943 erhalten geblieben, worin festgehalten ist, daß Himmler

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wünscht, daß in diesem Jahre an Juden nach dem Osten abtransportiert wird, was menschenmöglich ist. Da im Westen ein Bunawerk durch Luftangriff zerstört wurde, soll ein neues Bunawerk in Auschwitz aufgebaut werden. Daher wurde vor allem in den Monaten Mai und Juni eine Höchstzahl von Juden aus dem Westen benötigt. Anzustreben sei für den Monat Mai die Ziffer von 8.000 (aus Holland). Zugvereinbarungen werden vom Befehlshaber der Sicherheitspolizei Den Haag, mit dem Reichssicherheitshauptamt getroffen.

Sämtliche portugisischen Juden (Sephardim) sind in einer Sonderbaracke des Lagers Westerbork zusammenzufassen, damit sie dort durch SS-Gruppenführer Rauter und dem Führer des Rasse- und Siedlungshauptamtes auf ihre Abstammung geprüft werden können. Der Reichsführer SS beabsichtigt, in Deutschland ein Lager für ca. 10.000 Juden französischer, belgischer und niederländischer Staatsangehörigkeit zu errichten, die wegen ihrer Beziehungen zum Ausland als Druckmittel zurückgestellt werden sollen. Gegebenenfalls sollen sie später zum Austausch gegen deutsche Heimkehrer, auswandern dürfen. (48)

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Dem Auswärtigen Amt wird durch seinen Vertreter in Den Haag, am 29.6.43, gemeldet, daß der Befehlshaber der Sicherheitspolizei Den Haag in einem Geheimbericht an seinen Reichskommissar, diesem mitteilt, daß inzwischen der Hunderttausenste Jude das Land verlassen hat. (49)

Noch im gleichen Jahr informiert Dr. Harster dem Vertreter des Auswärtigen Amtes in Den Haag, daß der Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete, im Einverständnis mit Himmler bestimmte, daß die in den Niederlanden in Mischehe lebenden Juden, bei Nachweis der Unfruchtbarkeit, vom Tragen des Judensternes befreit werden. Die Sterilisierung wird von jüdischen oder niederländischen Ärzten durchgeführt, wobei dem leitenden Arzt beim Höheren SS- i. Polizeiführer, die Prüfung der Unfruchtbarkeit obliege.

Dazu habe ich ergänzend festzustellen, daß diese Nachricht damals auch im Reichssicherheitshauptamt wie eine Bombe platzte, ein Novum, welches bislang alleine dastand und bis zum Ende des Krieges nicht nachgeahmt wurde. (50)

Am 28. Februar 1944, wendet sich der Reichskommissar Seyss-Inquart persönlich an den Chef der "Kanzlei des Führers", an den Reichsleiter Bormann.

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Ein mächtiger Mann jener Zeit, ein Mann von entscheidendem Einfluß auf Hitler. Ein Mann, der von allen respektiert wurde; einschließlich Himmler, Goebbels, Göhring usf. Er teilte ihm also mit, daß zwar die Juden aus dem niederländischen Volkskörper aus…ieren seien, aber offen noch die Frage der Juden in Mischehen wäre. Er sagte, daß sie in Holland zwar weiter gegangen wären als im Reichsgebiet und auch diesen Juden die Sterntragepflicht auferlegt hätten und daß er auch angeordnet habe die jüdischen Mischehenpartner, kinderloser Mischehen, nach dem Osten zu deportieren, daß seine Sicherheitspolizei auch einige hundert solcher Fälle behandelte, aber dann von Berlin den Auftrag bekam, diese Abtransporte nicht weiter durchzuführen. Daher verblieben ihm einige tausend dieser Juden im Lande und hiermit würde das Poblem der Mischehen aufgeworfen. Dasselbe sei aber grundsätzlicher Art und deshalb wende er sich an ihn. Im gleichen Sinne habe er auch an Himmler geschrieben. Im einzelnen führte er vier "Lösungsmöglichkeiten" an.

Aber es scheint sich daran nicht allzuviel geändert zu haben, denn der Gesandte Bene gibt zum Juli1944,

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wieder einen seiner regelmäßigen halbjahresberichte an das Auswärtige Amt, und teilt mit, daß die Judenfrage für die Niederlande als gelöst bezeichnet werden könne. Er gibt die Zahl der Deportierten mit 113.000 aan; 4.000 Juden seien verstorben; 2.500 seien zu Mischlingen bzw. Zu Ariern erklärt worden; in Mischehe leben etwa 8.600; in den Niederlanden untergetaucht etwa 9.000; in den Lagern befänden sich 3.600 evangelische Juden, Protektionsjuden, 44 türkische Juden und in Frankreich 11 argentinische Juden. Zusammen, 140.711. (51)

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- 4 -

Belgien:

Himmler hatte um den 11. Juni 1942 befohlen, 10.000 Juden aus Belgien nach Auschwitz zu deportieren. Die deutsche Militärverwaltung beabsichtigte, den gewünschten Abtransport durchzuführen und der Leiter der Dienststelle des Auswärtigen Amtes in Brüssel teilte am 9. Juli seiner Berliner Zentrale mit, daß der Militärverwaltungschef gegenwärtig im Hauptquartier sei, um die Angelegenheit mit Himmler zu erörtern. Es seinen gewisse Bedenken geltend gemacht worden, jedoch glaube die Militärverwaltung dann ihre Besorgnisse zurückstellen zu können, wenn eine Deportation von Juden mit belgischer Staatsangehörigkeit vermieden werden könne; denn für Zwangsmaßnahmen würden die zur Verfügung stehenden Polizeikräfte nicht ausreichen. (52)

Himmler hatte sich den Vorschlägen des Chefs der Militärverwaltung angeschloßen und am 24. Sept. konnte Bargen, der Vertreter des Auswärtigen Amtes in Brüssel melden, daß bis zum 15. Sept. insgesammt 10.000 staatenlose Juden evakuiert wurden. Und bis Ende Oktober hoffe die Deutsche Sicherheitspolizei in Belgien, etwa 20.000 des in Frage kommenden Personenkreises

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abtransportieren zu können. (53) Also hatte die Vorsprache des Chefs der Militärverwaltung im Himmlers Hauptquartier eine Verdoppelung der ursprünglich befohlenen Anzahl zur Folge gehabt. Jedoch – wieder ein Bericht Bargen an des Auswärtige Amt vom 11. Nov. 1942 - ? besagt, daß bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt 15.000 Juden deportiert wurden. Es hätten sich auf Grund der Judenverordnung des Militärbefehlshabers vom 28.10.1940, rund 42.000 Juden über 16 Jahre, gemeldet. Davon waren 38.000 nichtbelgische Staatsangehörige. Insgesamt dürften sich nach seiner Schätzung 52.000 bis 55.000 Juden, einschließlich der nichtmeldepflichtigen Kinder, in Belgien gemeldet haben. In der letzten Zeit seien illegale Abwanderungen nach Frankreich und nach der Schweiz festgestellt worden und er schätze vorsichtig, wenn er sage, daß nach der Schweiz 3.000 bis 4.000 Juden abwanderten. (54)

Nun griff der Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt Luther ein und richtete am 4. Dez. 1942 an die Dienststelle des Auswärtigen Amtes in Brüssel einen Erlaß in dem es u.a. heißt:

"Wenn heute sich das in Belgien verbliebene Judentum über die Anordnungen des Militärbefehlshabers hinwegsetzt, ferner mit allen Mitteln versucht, seinen

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jüdischen Charakter zu verwischen und sich damit in schwer zu säubernde Schlupfwinkel verkriechen, und wenn schließlich bereits Ansätze zur Beteiligung dieser Juden am aktiven Widerstand gegen die Besatzungsmacht festgestellt werden, dann sollte ein energisches Zugreifen eine weitere Ausbreitung dieses Gefahrendherdes verhindern.

Ich darf daher bitten, im Benehmen mit vom Militärbefehlshaber die Möglichkeiten zu erwägen, die getroffenen Maßnahmen, nunmehr auf alle Juden in Belgien auszudehnen und diese bis zur möglichen Durchführung der Transporte, in Sammellager zusammenzufassen. Einzelfragen bezüglich Ausnahmebehandlung von Juden in Mischehen, solchen christlicher Konfession, oder mit Kindern, könnten im Benehmen mit der Sicherheitspolizei gelöst werden.

Eine durchgreifende Säuberung Belgiens von den Juden, muß fruüher oder später auf alle Fälle erfolgen." (55)

Weisungsgemäß hatte Bergen in Brüssel diese Angelegenheit mit vom Militärbefehlshaber, dem Militärverwaltungschef und dem örtlichen Chef der Sicherheitspolizei besprochen. Aber er mußte seinem neuen Chef nach Berlin mitteilen, daß eine Abbeförderung der Juden

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nach Meinung der Militärverwaltung vor dem Frühjahr 1943 infolge Mangel an Eisenbahnwagen nicht aufgenommen werden könne.

Inzwischen aber würden die Vorbereitungen für die weitere Abbeförderung getroffen und die ausländischen Juden in einem Lager zusammengezogen. Infolge Lagermangel aber könne man alle Juden nicht zusammenziehen. Da bei Wiederaufnahme der Deportation auch die Abbeförderung der etwa 4.000 Juden belgischer Staatsangehörigkeit beabsichtigt sei, dürften die Absichten der Militärverwaltung mit den Wünschen des Auswärtigen Amtes übereinstimmen. (56)

Und noch einmal ermahnt der Unterstaastsekretär Luther in einem weiteren Schreiben vom 25. Jan. 1943 seine Brüsseler Dienststelle, indem er darauf aufmerksam hin weist, daß von vornherein darauf zu achten sei, bei der Zusammenfassung der in Belgien ansäßigen Juden in Lagern, nicht nur Juden ausländischer Staatsangehörigkeit, sondern auch die belgischen Juden mit zu verhaften seien.

Auch das Reichssicherheitshauptamt erhielt eine Durchschrift dieses Schreibens. Es wird darin bemerkt, daß gebeten wird, "auch von dort das Entsprechende zu veranlaßen". Was sollte da noch viel zu veranlassen sein. Andere hatten ja alles bis in das Kleinste schon veranlaßt. (57)

Unterschritfkürzel

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Am 9. April 1943 teilte Himmler dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Dr. Kaltenbrunner folgendes mit:

"Das Wichtigste ist mir nach wie vor, daß jetzt an Juden nach dem Osten abgefahren wird, was überhaupt nur menschenmöglich ist. In den kurzen Monatsmeldungen der Sicherheitspolizei will ich lediglich mitgeteilt bekommen, was monatlich abgefahren worden ist und was zu diesem Zeitpunkt noch an Juden übrig blieb." (58)

Diesen Himmler-Erlaß mußte das Reichssicherheitshauptamt an alle Stellen der sicherheitspolizei und des SD ausgehen lassen.

Und so liest man in einem "Einsatzplan" der Dienststelle des Befehlshabers der Sicherheitspolizei in Brüssel vom 1. Sept. 43, daß in der Nacht vom 3. zum 4. September erstmalig die vom Reichssicherheitshauptamt geforderte Erfassung der belgischen Juden für den Osteinsatz, mit einer Großaktion begonnen wurde. (59)

/375/AE 54

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Italien

Die Dokumente – zum Teil bereits im Kapitel "Frankreich" besprochen – zeigten einmal die Haltung Italiens zur Judenfrage ganz klar, und sie zeigten aber zum anderen ebenso klar, welche Persönlichkeiten des verflossenen nationalsozialistischen Regimes, hier federführende Rollen spielten. Sie zeigten ferner die Bemühungen der ehemaligen deutschen Reichsregierung, eine Änderung der italienischen Einstellung, zu erzwingen. Im Wesentlichen gelang dies erst gegen Ende 1943. –

Der Gesandte Moelhausen telegraphiert am 6. Oktober 1943 an Ribbentrop, daß der SS-Obersturmbannführer Kappler in Rom – er unterstand gewissermaßen als Kommandeur der Sicherheitspolizei in Rom, dem Befehlshaber der Sicherheitspolizie in Italien, Generalmajor der Polizei Dr. Harster, mit dem Sitz in Verona – von Berlin einen besonderen Auftrag erhalten habe. Er sollte die in Rom wohnenden achttausende Juden festnehmen lassen und nach Oberitalien bringen, wo sie lequidiert werden sollten. Der Stadtkommandant von Raom, General Stahel, teilt dem Gesandten Moelhausen mit, daß er diese Aktion nur dann zulassen werde, wenn sie im Sinne des Reichsaußenministers läge.

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Er persönlich sei der Ansicht, daß es besser wäre, die Juden zu Befestigungsarbeiten heranzuziehen und gemeinsam mit Kappler, wollte er dies dem Generalfeldmarschall Kesselring, vortragen. (60)

Am 9.10. gab Ribbentrop zur Antwort, daß auf Grund einer Anweisung Hitlers diese 8.000 Juden in das Konzentrationslager nach Mauthausen, als Geiseln gebracht werden sollen. (61)

Zu dem Vorgang sagt Kappler als Zeuge unter Eid, am 27. Juni 1961 im Militärgefängnis zu Gaeta (Italien) aus, daß er keinerlei Kenntnis von der Existenz eines solchen Telegrammes Moelhausen an Ribbentrop gehabt habe: Er habe dieses Telegramm erstmals anläßlich seines Prozesses im Jahre 1948 gesehen, bzw. Von dessen Existenz, Kenntnis erhalten.

Wohl erinntert sich Kappler, an ein Telegramm, unterschrieben von Himmler, in dem er auf die Notwendigkeit bestand, die Judenfrage auch in der Stadt Rom zu lösen. Er erinnerte sich ferner daran, daß er bei dieser Gelegenheit zum ersten Male den Begriff "Endlösung der Judenfrage" kennen lernte. Dieser Ausdruck war ihm jedoch neu und es gelang ihm nicht, ihn zu enträtseln. Zu jener Zeit kreuzte bei ihm ein SS-Hauptmann Dannecker auf, und er hatte eine Vollmacht, zur

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Durchführung einer Judenrazzia. Diese Vollmacht war von dem General der SS (Polizei), Müller, unterzeichnet. (62)

Meinen Namen hatte Kappler, nach seiner Zeugenaussage, erst nach 1945, durch die Presse gehört, auch habe er weder Post noch Instruktionen erhalten, welche meine Unterschrift getragen hatten.

Anläßlich einer informativen Besprechung zwischen Müller und Dr. von Thadden am 16.X.1943, sagte Müller dem Legationsrat des Auswärtigen Amtes, daß er sich den Argumenten des Auswärtigen Amtes keinesfalls verschließe, die gerade in Italien, insbesondere im Hinblick auf die Stellung der katholischen Kirche für eine schlagartige Aktion sprächen. Aber die vorhandenen Kräfte reichten nicht aus, um eine solche in ganz Italien durchzuführen. Man werde daher gezwungenermaßen mit der Aufrollung der Judenfrage unmittelbar hinter der Frontlinie beginnen und schrittweise nach Norden weitertreiben. Legationsrat Dr. v. Thadden bemerkte dazu in seiner Vortrags-Notiz für seinen Staatssekretär, daß Müller offensichtlich auch seinerseits gewisse Sorge habe, wegen der praktischen Durchführung des Hitler-Befehls, betreffend der Festnahme von 8.000 Juden in Rom. (63)

In der Tat hatte die roemisch-katholische Kirche in Rom, durch den Bischof

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Hudal, sich mit einem Schreiben an den Stadtkommandanten von Rom, General Stahel gewandt, und gegen die Verhaftungen von Juden italienischer Staatsangehörigkeit heftig Stellung genommen, mit dem Wunsche, daß in Rom und Umgebung diese Verhaftungen sofort eingestellt werden mägen, da der Papst sonst öffentlich dagegen Stellung nehmen wird.

Die Kurie sei deshalb besonders betroffen, weil sich die Vorgänge sozusagen "unter den Fenstern des Vatikans abgespielt haben", bestätigte die Deutsche Botschaft beim Heiligen Stuhl.

Eine abschrift dieses Schreibens gelangte seinerzeit auszugsweise, vom Auswärtigen Amt, auch an mein Dezernat. (64) Jedenfalls leitete ich es sogleich an meinen Chef weiter.

Aber all dessen ungeachtet hatte inzwischen die italienische Regierung ein Gesetz verkündet, daß alle Juden in Italien in Konzentrationslager zu übernehmen sind.

Gleichzeitig stellte das Reichssicherheitshauptamt in Berlin fest, daß die von Himmler in Italien befohlene Aktion, zur Erfassung der italienischen Juden zu keinem nennenswerten Ergebnis geführt habe. Die von den verschiedenen Seiten erfolgten Einsprüche hätten die erforderlichen Schritte solange hinausgezögert, bis die Mehrzahl der Juden sich hatte verstecken können. (65)

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Wagner, der Nachfolger des wegen angeblichen Intrigenspiels in ein Konzentrationslager eingelieferten Unterstaatssekretärs Luther, schreibt am 14. Dezember 1943 an den Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes Müller, "daß der deutsche Botschafter Rahn, angewiesen wurde, der Faschistischen Regierung die Genugtuung der Reichsregierung über das so unbedingt notwendige Gesetz, betreffend Rückführung aller Juden in Italien in Konzentrationslager, auszudrücken. Wohingegen die Auslieferung der in den Lagern zusammengefaßten Juden zur Evakuierung in die Ostgebiete nicht zweckmäßig erscheine. Ein derartiger Antrag soll vielmehr aus taktischen und politischen Gründen solange zurückgestellt bleiben, bis die Erfassungsaktion der Juden durch die italienischen Organe abgeschlossen sei; denn das Auswärtige Amt glaube auf Grund seiner Erfahrung annehmen zu müßen, daß im anderen Falle der Erfolg der Erfassungsaktion, wesentlich beeinträcktigt, wenn nicht gar vereitelt würde.

Bei den in den letzten Monaten gezeigten mangelnden Eifer italienischer Dienststellen zur Durchführung der von Mussolini befohlenen antijüdischen Maßnahmen, hielte es das Auswärtige Amt für dringend wünschenswert, daß die Durchführung der Maßnahmen nunmehr

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laufend von deutschen Beamten überwacht wird. Daher erscheine der Einbau eines Teiles der zur Zeit zum Einsatzkommano Italien gehörenden Kräfte getarnt als Berater, in den italienischen Apparat angezeigt und notwendig."

Abschließend bittet das Auswärtige Amt, das Einsatzkommando Italien entsprechend zu verständigen und dem Hauptsturmführer Dannecker zu veranlassen, wegen des etwaigen Einbaues von Beratern, mit dem Bevollmächtigten des Reiches, Botschafter Rahn, oder seinem Vertreter, unmittelbar Fühlung zu nehmen. (66)

Anläßlich seines Plädoyers in dem Prozeß gegen mich in Jerusalem, im Jahre 1961, sagte der israelische Generalstaatsanwalt unter anderem, daß viele Schriftsteller ihre bisher herausgegebenen Werke auf Grund der in dem Prozess ge… und gewonnenen Erkenntnisse einer Überarbeitung unterziehen müßten. Ich bin genau derselben Meinung. Ich selbst bin ebenfalls daran interessiert, daß dort, wo man bedenkenlos einfach meine Person als den Verantwortlichen herausgestellt hatte, - ganz einfach lediglich als das Resultat einer Konstruktion, einer Mutmaßung, und diese als bare Münze wiederspiegeln ließ, - auf Grund der Prozesserkenntnisse nunmehr die geschichtliche Wahrheit niederschlagsmäßig, fest-

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stellen möge.

Diesen meinen Wunsch wird wohl jedermann verstehen; denn ich bin ja schließlich und endlich keine Herostratennatur.

Ich selbst habe mich daher bei der Abfassung dieser Arbeit bemüht, mich dort ganz esonders streng an die seinerzeitigen amtlichen Dokumente zu halten, wo ich mich szs. mit dem sachlichen Geschehen befaßte.

Ich habe in den Zeilen dieses Buches mich in der Hauptsache auf die Dokumente beschränkt, die das Linienführungsmäßige behandeln.

Die Fülle der Nebendokumente, in denen meine Person natürlich auch stets eine gewisse Rolle spielt, habe ich bei dieser Betrachtung außer acht gelassen, da sie infolge des steten Wiederholens des sachlichen Inhaltes einmal und zum anderen deswegen, weil ihnen keine grundsätzliche Bedeutung zuzumessen ist, die etwa neue Gesichtspunkte ergeben könnten, auf den Leser ermüdend wirken würden.

Eine Gesamtbehandlung, einschließlich der kleinsten Details, muß wohl wissenschaftlichen Spezialbehandlungen vorbehalten bleiben.

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Norwegen:

Am 17. November 1942, wurde von der norwegischen Regierung ein Gesetz über die Anmeldepflicht der Juden erlassen. Damit war die Möglichkeit einer allgemeinen Erfassung, mit dem Ziel der Abschiebung der Juden aus Norwegen gegeben worden.

Diese norwegischen Bestimmungen waren bedeutend umfassender, als die deutschen Judengesetze. So wurden in Norwegen auch solche Personen, welche der Abstammung nach Mischlinge sind, und in Deutschland als Mischlinge behandelt wurden, rechtlich grundsätzlich wie Juden behandelt.

Im November 1942, wurden aus Norwegen 532 Juden und im Februar 1943, 158 Juden nach Auschwitz deportiert.

Seitens des Reichssicherheitshauptamtes wurde der Befehlshaber der Sicherheitspolizei beim Reichskommissar für die besetzten norwegischen Gebiete darauf hingewiesen, daß gewisse jüdische Personengruppen, darunter auch jüdische Mischlinge, die nicht als Juden gelten, nicht deportiert werden dürfen. (67)

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7 - Dänemark:

Das Auswärtige Amt teilte unter dem 17. September 1943, dem Reichsbevollmächtigten in Dänemark, Dr. Best mit, daß Ribbentrop ihn ersuche, Vorschläge zu unterbreiten, über die Art der Durchführung des Abtransportes der Juden aus Dänemark. Dies sei eine im Prinzip beschlossene Angelegenheit und insbesondere möge er sich Gedanken darüber machen, wieviel Polizeikräfte er dazu benötige. (68)

Vier Tage später machte der Gesandte von Grundherr, im Auswärtigen Amt zu Berlin, seinem Staatssekretär eine Vorlage, in der er festhält, daß der neu in Kopenhagen eingetroffene Befehlshaber der Sicherheitspolizei, SS-Standartenführer und Oberst der Polizei Dr. Mildner, gegen den Abtransport der Juden aus Dänemark Stellung genommen habe und sich mit Genehmigung von Dr. Best, an Himmler ? gewandt habe. (69) Mildner selbst sagte dazu in einer Erklärung am 22. Juni 1945, unter Eid: "ich flog sofort nach Berlin, um dem Chef der Sicherheitspolizei, Dr. Kaltenbrunner persönlich Vortrag zu halten. Der Chef war abwesend. Ich ging zum Amtchef IV, SS Gruppenführer Müller, der in meiner Gegenwart ein Blitz-Fernschreiben an Himmler im Sinne meines Vortrages diktierte, kurz nach meiner Rückkehr nach Kopenhagen traf über den Chef der Sicherheitspolizei,

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Dr. Kaltenbrunner, der definitive Befehl Himmlers ein: "Die Judenaktion ist sofort durchzuführen." (70)

Noch am 1. Oktober um 18,30 Uhr, erhielt der Bevollmächtigte des Deutschen Reiches in Dänemark ein Schreiben König Christians X.; Best sandte diesen um 19,30 Uhr, am gleichen Tag, an den Reichsaußenminister. Es war um 20, 10 Uhr im Auswärtigen Amt. Das Schreiben des Königs lautete:

"Exzellenz, obwohl die vollziehende Gewalt gemäß der mir am 29. August d.J. überbrachten Mitteilung des Herrn Befehlshabers der deutschen Truppen in Dänemark auf die deutsche Wehrmacht übergegangen ist, ist es mir jedoch – nachdem ich mit einem Vernehmen bekannt gemacht worden bin, wonach man Deutscherseits beabsichtigen sollte, Schritte gegen die Juden in Dänemark zu unternehmen, - nicht nur aus menschlicher Sorge für die Bürger meines Landes, sondern auch aus der Furcht vor den weiteren Konsequenzen in den künftigen Beziehungen zwischen Deutschland und Dänemark daran gelegen, Ihnen gegenüber hervorzuheben, daß Sondermaßnahmen hinsichtlich einer Gruppe von Menschen, die seit mehr als 100 Jahren die vollen bürgerlichen Rechte in Dänemark genießen, die schwersten Folgen werden haben können. Christian X."

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Dr. Best gibt Ribbentrop sodann einen Bericht über die Lage, besonders in Hinblick auf dem vom Militärbefehlshaber der deutschen Truppen in Dänemark verhängten Ausnahmezustand und schließt mit den Worten: "Die Aktion beginnt heute um 21,50 Uhr." (71)

Es wurden insgesamt nicht mehr als 284 Juden erfaßt. Mein Vertreter im Referat IV B4, des Reichsicherheitshauptamtes SS-Sturmbannführer Günther hatte von dem Amtchef IV, SS-Gruppenführer Müller, Befehl erhalten mit einigen beamten nach Dänemark zu gehen, um den abtransport nach Theresienstadt in die Wege zu leiten.

Dr. Best, der Reichsbevollmächtigte, berichtete am 5. Oktober an das Auswärtige Amt, daß die Leitung der Judenaktion in Dänemark einheitlich in der Hand des Befehlshabers der Sicherheitspolizei, SS-Standartenführer Dr. Mildner lag, der alle Anordnungen für die Durchführung erteilte. Er teilte weiterhin mit, daß es richtig sei, daß der Befehlshaber der Sicherheitspolizei angeordnet habe, daß verschlossene Wohnungen nicht aufgebrochen werden sollten. (72)

In diesem Zusammenhang ist eine eidesstattliche Erklärung des ehemaligen Legationsrates des Auswärtigen Amtes Dr. von Thadden vom 16. April 1948, gegeben in Nürnberg, interessant, nachder ihm mein damaliger "Ständiger Vertreter"

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im Dezernat, eben der besagte SS-Sturmbannführer Günther, im Anschluß an die "Dänemark-Aktion" mitgeteilt habe, diese sei vermutlich von der Gesandtschaft in Kopenhagen sabotiert worden. Ich hätte bereits an Himmler berichtet und werde den Kopf des Saboteurs fordern. Nähere Angaben über die Art der Sabotage habe Günther verweigert, nur beilaäufig erwähnt, das Verbot, verschlossene Wohnungen zu öffnen. – Solches ist wie man aus Best´s eigenen Berichten gesehen hat, blanker Unsinn. Herr von Thadden ist hier zweifellos einer Täuschung zum Opfer gefallen. (73)

Recht friedlich und höflich und kein Wort über eine erfundene Sabotage, verhandelte ich gemäß Befehl meines Chefs, dem Generalleutnat der Polizei Müller, am 3. November 1943, in Kopnehagen mit dem Reichsbevollmächtigten Dr. Best, um Vorschläge entgegenzunehmen, die darin gipfelten, daß Juden über 60 Jahre nicht mehr festgenommen und deportiert werden, daß Halbjuden und Juden in Mischehe freigelassen und nach Dänemark zurückgebracht werden und daß die aus Dänemark deportierten Juden in Theresienstadt bleiben und von Vertretern der dänischen Zentralverwaltung und des dänischen Roten Kreuzes besucht werden können. Da ich keinerlei

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Entscheidungen zu treffen befugt war, versprach ich Dr. Best, diese Angelegenheit meinem Chef im Reichssicherheitshauptamt vorzutragen, und die Vorschläge an ihn weiterzuleiten.

Der sehr vorsichtige Dr. Best erkundigte sich noch am gleichen Tage beim Auswärtigen Amt, ob die Sache den besprochenen Weg genommen habe. Und Wagner konnte ihm bereits kurz darauf berichten, daß dem so sei. (74)

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8 –

Slowakei

Der erste deutsche Gesandte in der Slowakei war Manfred von Killinger. Seine hauptsächliche Aufgabe war, die erste politisch-organisatiorische Ausrichtung der jungen slowakischen Regierung, im Hinblick auf die Zielsetzung der deutschen Außenpolitik in die Wege zu leiten.

Er war es auch, welcher das "Berater-System" zur Einführung brachte. Und in einem Bericht über die politische Lage in der Slowakei an das Auswärtige Amt vom 13. Aug. 1940, bemängelte er, daß die Berater noch nicht angelaufen seien, da der größte Teil noch nicht eingetroffen wäre. (75)

Im September gibt sein Bericht Aufschluß über die Lage des Judentums in der Slowakei. Eine slowakische Regierungsverordnung v. 18.4.1939, legte fest, wer dem Gesetz nach als Jude anzusehen sei. Er kündete dem Auswärtigen Amt ferner Material über den Stand des jüdischen Gesamtvermögens in der Slowakei an, welches zur Zeit der Berichterstattung gerade von den slowakischen Behörden festgestellt würde. Nach offizieller Schätzung lebten um jene Zeit in der slowakischen Republik, 90.000 Juden. (76)

Nachfolger v. Killingers, welcher als Gesandter nach Rumänien abging, war Ludin. Unter seiner Amtsführung komplettierte

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sich auch das Berater-Corps; darunter auch der Berater für Judenfragen, SS-Hauptsturmführer Weisli?eng.

In einer anzahl von Erlaßen, und Vereinbarungen zwischen dem Reichsaußenminister und Himmler, sowie zwischen deren Hauptamtchefs, wurde die Stellung sowohl der Polizeiattachés, als auch der Berater genauest festgelegt.

Ausnahmslos waren die Berater den Polizeiattachés als Gehilfen zugeteilt, und ihnen auch unmittelbar unterstellt. Beide kamen aus dem Reichssicherheitshauptamt und wurden zur Dienstleistung im Ausland zu den Botschaften oder Gesandtschaften, versetzt.

Die Polizeiattachés unterstanden bezüglich ihrer Tätigkeit im Ausland grundsätzlich nur dem jeweiligen Missionschef und in dessen Abwesenheit, dem jeweiligen Vertreter. Dies Attachés hatten, gemäß den Abkommen, dienstliche Aufträge des Missionschefs auszuführe. Allfällige Weisungen der Dienststellen des Reichsführers SS, mußten ihnen über das Auswärtige Amt, durch die Hand des Missionschefs zugeleitet werden, der damit die politische Verantwortung für die außenpolitische Zweckmäßigkeit dieser Weisungen übernahm, denn er konnte ja von seinem Einspruchsrecht Gebrauch machen. /eine Zeile gestrichen/. (77)

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Aus dieser Sachlage heraus wird es beispielsweise verständlich, wenn das Reichssicherheitshauptamt einen Berater zu einer Besprechung nach Berlin ladet, der Missionschef sich dazu aber erst die Genehmigung seitens des Auswärtigen Amtes einzuholen hatte; und nach deren Erteilung sodann der Berater der Ladung erst Folge leisten konnte. (78)

Am 8.u. 9. Juli 1941 fuhren auf Einladung des Gauleiters von Oberochbenen, der Berater für Sozialpolitik und der, für Judenfragen, von der Pressburger Gesandtschaft, nach Ostober?klawien um dort Judenarbeitslager zu besichtigen. Sie wurden von mehreren hohen Beamten des slowakischen Innenministeriums und des Zentralwirtschaftsamtes begleitet. Dieser Besuch von Seiten der Gesandtschaft sehr befürwortet, da ähnliche Einrichtungen in der Slowakei geschaffen werden sollten. (79) Denn Ludin konnte seiner Berliner Zentrale am 22. Oktober berichten, daß das slowakische Innenministerium keine Ausweisung der Juden aus dem Gebiet der Slowakei beabsichtige, sondern eine interne Zusammenziehung der juden an bestimmten Orten innerhalb der Slowakei anstrebe. Es handele sich hierbei um die vom deutschen Berater angeregte Bildung von Ghettos, nach dem Vorbild des Generalgouvernements. (80)

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Aber mitten in diese Vorbereitungen hienein, platzte eine Aufforderung des Unterstaatssekretärs Luther, vom Auswärtigen Amt, daß im Zuge der Maßnahmen zur Endlösung der Judenfrage Europas, die Deutsche Reichsregierung bereit sei, sofort 20.000 junge, kräftige slowakische Juden auzunehmen und nach dem Osten zu verbringen, wo Arbeitseinsatzbedarf besteht. /zwei Zeilen gestrichen/

Der Gesandte Ludin bekam am 16. Februar 1942 den Auftrag, das Einverständnis der Slowakischen Regierung herbeizuführen.

Und eine Handnotiz auf dem im Auswärtigen Amt, nach 1945 aufgefunden Durchschlag, des an Ludin gerichteten Fernschreibens lautet: "Slowakische Regierung, Vorschlag mit Eifer aufgegriffen. Vorarbeiten können eingeleitet werden.

Auch Himmler scheint sich selbst mit in diese Angelegenheit eingemengt zu haben; jedenfalls schreibt Luther an eine andere Stelle hierüber, anläßlich eines europäischen Gesamtberichtes. (81)

Im April 1942 machte der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, SS-Obergruppenführer und General der polizei und der Waffen SS, Heydrich, der gleichzeitig auch die Position eines "Stelvertretenden Reichsprotektors für Böhmen und Mähren" innehatte, dem slowakischen Ministerpräsidenten Tuca, einen Besuch. Einmal war es

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ein Höflichkeitsbesuch, den ein benachbarter Regierungschef dem anderen abstattete und zum anderen war es Heydrichs Wunsch, die angeschnittenen Judendeportationsangelegenheiten, anzukurbeln und vorwärts zu treiben.

Auch nun wurde seitens meines Vorgesetzten befohlen, mich für eine Dienstreise nach Pressburg vorzubereiten und das Auswärtige Amt kündete diese bereits am 13.März 1942, seiner Gesandtschaft in Pressburg an. Ich sollte im Auftrag des Chefs der Sicherheitspolizei, Vorbesprechungen zur Evakuieurng von 20.000 Juden aus der Slowakei, nach der inzwischen erzielten diesbezüglichen Übereinstimmung zwischen Auswärtigen Amt – Gesandtschaft – Slowakischen Regierung, mich den zuständigen Stellen in Pressburg, führen. (82)

Nun, da der Hauptamtchef Heydrich selbst fuhr, war es überflüßig geworden, mich mit den deutschen Wünschen nach der Slowakei in Marsch zu setzen. Erst Ende Mai hatte ich sowohl weitere Wünsche meines Chefs, als auch ein Handschreiben Heydrichs, an dem slowakischen Ministerpräsidenten, im Zusamenhang mit der gegenseitigen Absprache, dem deutschen Gesandten Ludin zu übermitteln gehabt.

Hier wurde ich seitens des deutschen Gesandten in freundlicher Form genötigt, dem slowakischen Innenminister Mach, den ich noch dunkel aus den Jahren meines Wiener Aufenthaltes her kannte, als er noch lange kein

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slowakischer Innenminister war, auf dessen, inzwischen an die Gesandtschaft ergangener Einladung an mich, mit ihm gemeinsam zu Abend zu essen, keine Absage zu geben.

Selbst Wisliceng mußte in einer seiner vielen Erklärungen nach 1945 zugeben, daß man mich zu einer solchen Annahme nötigen mußte. In der Tat, ich ging all solchen Dingen aus dem Wege, wann immer sich mir zum "Ausdemwegegehen" die Möglichkeit bot.

Nun ja, zwar war es eine private Einladung und das Essen war sicherlich nicht schlecht; und Mach und ich kegelten, mal "alle Neune", mal "Fahrkarte", indessen Ordonnanzen labende Getränke und Rauchzeug boten. Aber noch am frühen Abend teilte mir Mach mit, daß er eben aus Prag die Nachricht erhalten habe, daß gegen Heydrich eine Bombe geworfen wurde. Ich blieb noch eine Weile, während der nunmehr laufend weiter Mitteilungen über das Attentat kamen und furh schließlich noch in selbiger Nacht nach Prag.

Es war der 29. Mai 1942.

Einige Tage später war Heydrich tot. Was mit dem Brief geworden ist, den ich Ludin gab, weiß ich nicht.-

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Eine Aufzeichnung Luthers vom 29. März 1942 gibt kund, daß gemäß Mitteilung von Ludin, der slowakische Staatsrat die Evakuierung der Juden aus der Slowakei positiv entschieden habe. Ein Mitglied des Staatsrates habe zwar opponiert, aber ein Bischof habe daraufhin eine sehr positive Rede gehalten. Daraufhin sei der Vorschlag, der Evakuierung zuzustimmen, einstimmig angenommen worden. Eine Einschränkung wurde gemacht, nämlich die, daß bis zu einem bestimmten Stichtag getaufte Juden, auszunehmen seien.

Ferner teilte der Gesandte Ludin an Luther noch mit, daß drei Evakuierungstransporte bereits abgegangen seien und die weiteren ohne Verzögerung folgen würden. Und sobald die ersten 20.000 Juden evakuiert seien, könne nit der Evakuierung der restlichen rund 70.000 Juden begonnen werden.

Luhter verfügte, daß hiervon der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, umgehend zu benachrichtigen ist. (83)

Und Anfang Mai 1942 schrieb Luhter an Ludin, daß die Reichsregierung bereit sei, im Laufe des Monates Mai weitere 20.000 arbeitsfähige Juden – von den angekündigten 70.000 insgesamt, - aus der Slowakei abzunehmen und nach dem Osten zu verbringen. Die Einzelheiten würden wie bisher geregelt. (84)

Unterschriftskürzel

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Einen genauen Überblick über die Angelegenheit vermittelt ein Schreiben meines damaligen "Ständigen Vertreters" als Referent IV B4, im Reichsicherheitshauptamt, SS-Sturmbannführer Günther an den Legationsrat Rademacher im Auswärtigen Amt, vom 15. Mai 42. Demnach wurden vom 25. März bis 29. April 42, die ersten 20.000 Juden aus der Slowakei nach Auschwitz abgefahren, und am 4. Mai 1942 hatte die Abtransportierung von weiteren 20.000 Juden, nach Lublin eingesetzt. Die Bereitstellung von rollendem Material durch die Slowakische Regierung erleichterte die technische Durchfährung der Evakuierung erheblich, da es der Deutschen Reichsbahn auf Grund der angespannten Verkehrslage nur schwer möglich wäre, die erforderlichen Sonderzüge zur Verfügung zu stellen. (85)

Ludin teilte am 26. Juni 42 mit, daß die Weiterführung der Depotation, bedingt durch kirchliche Einflüße auf einen "Toten Punkt" angelangt sei. Ministerpräsident Tuca wünsche jedoch sie fortzusetzen und bittet die Reichsregierung durch scharfen, diplomatischen Druck, um Unterstützung; Ludin bat um Weisung, ob er in dieser Richtung verfahren könne.

Daraufhin beeilte sich Staatssekretär Weizsäcker in einem Telegramm an Pressburg zu erwiederen, daß die von Tuca erbetene diplomatische Hilfe in der Weise gegeben werden könne, daß Ludin das slowakische Staatsoberhaupt aufsuche und ihm gegeüber

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zum Ausdruck bringe, daß die Einstellung der Deportierung, in Deutschland überraschen würde.

In einer Besprechung mit Tuca am 30. Juni rät Ludin kompromisslos, zu einer 100%igen Lösung. Zwar hatte erst kürzlich der päpstliche Pronuntius Msgr. Burzio, den slowakischen Ministerpräsidenten aufgesucht, um im Auftrage des Heiligen Stuhles gegen die Fortsetzung der Deportation zu protestiern. Er habe jedoch den Protest erst gar nicht entgegengenommen, da es in dieser Hinsicht für ihn eine höhere Instanz gäbe, als den Papst, nämliche seinen, Tuca‘s, Beichtvater. Dieser habe ihn gefragt, ob er die Judenaussiedlung als im Interesse seiner Nation liegend, vor seinem Gewissen verantworten könne. Als Tuca diese Frage bejahte, soll der Beichtvater keinen Einwand gegen diese Maßnahmen erhoben haben. Dies erzählte Tuca dem Gesandten Ludin. (86)

Der Reichsaußenminister v. Ribbentrop, verwarf am 21.7.1943 den Vorschlag von Weizsäcker und ließ Ludin mitteilen, daß SS-Oberführer Dr. Veesenmayer in nächster Zeit den Staatspräsidenten Dr. Tiso aufsuchen werde und ihm bei dieser Gelegenheit die Sache bezüglich der Judenaussiedlung vorzutragen habe. Und am 22. Dezember 1943 konnte Dr. Veesenmayer melden, daß Tiso persönlich dafür die

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Gewähr bieten würde, daß die Aktion so rasch wie möglich zur Durchführung und zum Abschluß gebracht würde. (87) –

Inzwischen aber kam es im Jahre 1944 zu einem allgemeinen Aufstand in der Ostslowakei und in dem Verlauf der Niederschlagung desselben wurde deutscherseits zu scharfen Maßnahmen geschritten.

Es kam zu einer Vereinbarungen zwischen dem Gesandten Ludin und dem inzwischen in der Slowakei installierten Befehlshaber der Sicherheitspolizei Dr. Witiska einerseits und der slowakischen Regierung andererseits. Demnach waren die deutschen Stellen mit einer Konzentrierung und Bewachung der Juden auf slowakischem Gebiet einverstanden.

Am 4. Oktober 1944 intervenierte der slowakischen Ministerpräsident bei Ludin, er habe gehört, daß man ohne die slowakische Regierung zu verständigen, daran ginge, die Juden aus der Slowakei abzutransportieren. Daraus aber würden sich zweifellos diplomatische Schwierigkeiten ergeben. Ludin sagte ihm, daß die Judenfrage jetzt auf alle Fälle radikal gelöst werden müße und er den Rat gäbe, im Falle von Schwierigkeiten einfach darauf hinzuweisen, daß die Reichsregierung vom slowakischen Staat eine radikale Lösung verlange. Das Auswärtige Amt feilte den Rat Ludins dann noch etwas feiner aus, indem

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es formulierte, daß die starke Beteiligung der Juden an den Aufständen und Partisanenbewegungen im Interesse der Sicherheit des slowakischen Staates, eine Radikallösung der Judenfrage unumgänglich notwendig mache. Und soferne es im Interesse der Stellung der slowakischen Regierung unbedingt erforderlich sei, könne hinzugefügt werden, daß das Reich im Zuge der auf Wunsche der slowakischen Regierung erfolgenden Partisanenbekämpfung, auch seine Hilfe bei der Lösung der Judenfrage gewährt habe. (88) –

Am 6. Oktober 1947, gab der ehemalige Gesandte Ludin u.a. folgende eidesstattliche Erklärung, vor der Untersuchungsbehörde in Bratislava ab: "Ich kann angeben, daß die Judendeportationen im Jahre 1942 über auftrag des Auswärtigen Amtes stattgefunden haben. Ich persönlich habe den diesbezüglichen Auftrag im Jahre 1942 erhalten. 1942 sind dann etwa 60.000 Juden aus der Slowakei deportiert worden. Die letzte Judenaussiedlung ging durch den Befehlshaber der Sicherheitspolizei." (89)

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AE 77

9 –

Griechenland:

Der deutsche Militärbefehlshaber Saloniki-Ägäis hatte im Einvernehmen mit dem griechischen Generalgouverneur von Mazedonien am 7. Juli 1942 eine Anordnung über den Arbeitseinsatz von Juden zu Ausbau der Straße Saloniki – Katerim – Larissa – erlassen. (90)

Am 3. Januar 1943 flog gemäß einem Befehl des Amtchefs IV im Reichssicherheitshauptamt, Generalleutnant der Polizei Müller, mein Vertreter, SS Sturmbannführer Günther nach Soloniki, um dort Verhandlungen in Judenangelegenheiten zu führen. Der Unterstaatssekretär Luther schrieb an seinen Gesandten Altenburg nach Athen, "daß Günther selbstverständlich mit ihm tätig werden darf." (99)

Derselbe Günther teilte am 25. Januar 1943 dem Auswärtigen Amt mit, daß, nachdem die erforderlichen Besprechungen zur Durchführung von Evakuierungsmaßnahmen aus dem Raum von Saloniki, mit dem Bevollmächtigten des Deutschen Reiches in Griechenland, dem deutschen Generalkonsul in Saloniki und der Heeresgruppe, sowie dem Militärbefehlshaber Saloniki Ägäis, geführt wurden, eine Abordnung des bei der Deutschen Gesavdtschaft in Pressburg diensttuenden Beraters für Judenfragen, erforderlich sei. Es wurde um Einverständnis gebeten.

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Eine dementsprechende Weisung des Auswärtigen Amtes an Pressburg, ging am 5. Februar 1943, aus. (92)

Am 6. Februar 1943, erließ der Militärbefehlshaber Saloniki – Ägäis, durch seine Militärverwaltung, eine Kennzeichnungs- und Ghettoisierungsverordnung. Er richtete diese anordnung an die jüdische Kultusgemeinde zu Saloniki, "Kraft der dem Befehlshaber Saloniki – Ägäis verliehenen Rechtsbefugnisse". –

Eine weitere Anordnung derselben Stelle vom 13. Febr. 43, besagt, daß der Präsident der Jüdischen Kultusgemeinde zu Saloniki, alle Juden im gesamten Bereich des Befehlshabers Saloniki – Ägäis zu betreuen habe. Am selben Tage ordnete der Militärbefehlshaber durch seine Militärverwaltung ferner an, daß Juden nicht befugt seien, ihren Wohnsitz ohne Erlaubnis zu verlassen. "Zuwiderhandelnde werden auf der Stelle erschossen." Straßenbahnen und andere Verkehrsmittel seien für Juden verboten, ebenso verboten sei die Benutzung von Fernsprechern, das Betreten von Straßen und öffentlichen Plätzen sowie der Besuch öffentlicher Veranstaltungen, nach Einbruch der Dunkelheit.

Am 15.6.43 teilt der Militärbefehlshaber Saloniki – Ägäis an den Generalgouverneur von Mazedonien mit, daß gemäß einer höheren Weisung, das Eigentum an dem gesamten jüdischen Vermögen,

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AE 79

welches sich in seinem Befehlsbereich befunden hat oder noch befindet, dem griechischen Staat, vertreten duch den Generalgouverneur von Mazedonien, zu Eigentum übertragen wurd. (93)

Wisliceng ist inzwischen in Saloniki eingetroffen und ist dort gemäß den verwendeten Dienstsiegeln einem anderen Befehlshaber unterstellt; nämlich dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, der funktionell seinerseits wieder dem deutschen Militärbefehlshaber Saloniki – Ägäis unterstellt ist.

Auf Grund der Erlaße des Militärbefehlshabers, gibt nun Wisliceng die Ausführungsbestimmungen dazu bekannt. Wie groß die Judenkennzeichen zu sein haben, wer als Jude dem Gesetze nach zu gelten hat, usf. (94)

Die Flucht eines Einzeljuden veranlaßte am 21. März 1943 den Militärbefehlshaber anzuordnen, daß 25 Juden als Geiseln festgenommen würden. Bei geringster Zuwiderhandlung gegen die vorgeschriebenen Verpflichtungen, würden diese erschossen werden. Ferner dürfen Juden auch innerhalb des Ghettos, nur zwischen 10 Uhr und 16 Uhr ihre Häuser verlassen. Zuwiderhandelnde werden sofort erschossen; Deutsche und griechische Polizeikommandos würden diese Anordnung besonders streng überwachen. (95)

/402/

AE 80

In Saloniki befanden sich etwa 55.000 Juden. Der weitaus größte Teil von ihnen, wurde deportiert.

Aus einem Runderlaß des Auswärtigen Amtes an die deutschen Missionen in Budapest, Lissabon, Rom, und Ankara vom 30. April 1943 ist zu ersehen, daß zwingende militärische und sicherheitspolizeiliche Gründe, allgemeine Maßnahmen gegen Juden auch auf das von deutschen Truppen besetzte nordgriechische Gebiet, auszudehnen, notwendig machen. (96)

Wer allein über Ingangsetzung oder Einstellung von Judendeportationen entschied, und wer die taktischen Belange dabei beobachtete, zeigt ein telegramm des deutschen Gesandten Neubacher, aus Athen an das Auswärtige Amt vom 27. Nov. 1943. "Bitte bei Chef des Reichssicherheitshauptamtes anzuregen, daß mit Abtransport hiesiger Juden noch zugewartet wird. Es haben sich von ca. 8.000 Juden über Aufforderung des Sicherheitsdienstes, ca. 1.200 gemeldet; die übrigen sind geflüchtet oder halten sich verborgen. Nach Abtransport der Juden, die sich gemeldet haben und die wahrscheinlich das uninteressanteste Kontingent darstellen, besteht überhaupt keine Aussicht mehr, an diejenigen heranzukommen, die für uns politisch wesentlich interessanter sind als die gemeldeten.

/403,404/

AE 81

Der Höhere SS- u. Polizeiführer und Chef des Sicherheitsdienstes sind derselben Ansicht. Erbitte Bescheid an mich in Belgrad und an Höheren SS- u. Polizeiführer nach Athen."

Neubacher war um jene Yeit der Bevollmächtigte des Auswärtigen Amtes für den gesamten Südosten.

Dieses Telegramm leitete mir der Referent in der Abteilung DIII des Ausw. Amtes, Legationsrat Dr. von Thadden, mit der Bitte, um entsprechende Stellungnahme des Chefs des Reichsicherheitshauptamtes, General der Polizei und der Waffen SS, Dr. Kaltenbrunner, zu.

Herr v. Thadden versah das nach 1945 aufgefundene Doppel seines Schnellbriefes an mich, am 4. Dez. 1943 mit einer Handnotitz, die besagt, daß er mit mir die Sache besprochen habe und ich ihm mitgeteilt hätte, daß Kaltenbrunner die Angelegenheit inzwischen direkt mit den Beteiligten, telephonisch erledigt habe und der Abtransport daher durchgeführt werde.

Auch dieses Beispiel zeigt andererseits, daß mein Referat in den Dingen, im Reichssicherheitshauptamt, die eines Nachrichten- und Befehlsübermittlers war. Im Gegensatz von Presse und Literatur, sowie mancher unwahrer, sogenannte Zeugenaussagen, habe ich nie etwas anderes behauptet. (97)

/405, 406/AE 82

10 – Jugoslawien:

Am 10. April marschierten die deutschen Truppen in Zagreb ein und am 12. April wurde Belgrad besetzt. Im Verbande der Truppen war ebenfalls eine Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD eingegliedert. Ihr Befehlshaber war der SS-Standartenführer und Oberst der Polizei Dr. Fuchs. Dieser Einsatzgruppe unterstanden zwei Einsatzkommandos, eines in Agram unter dem SS-Sturmbannführer Beisner, das zweite in Begrad, unter SS-Sturmbannführer Kraus. Nach Einrichtung einer deutschen Gesandtschaft in Agram, unter dem Gesandten Kasche, wurde dieser, der SS-Sturmbannführer Helm als Polizeiattaché zugeteilt. (98) Der jugoslavische Raum war in drei Regionen aufgeteilt worden. Der slovenische Teil, von welchem einige Kreise dem Reichsgebiet einverleibt wurden; Kroatien, welches zu einem selbstständigen Staate proklamiert wurde und das von deutschen Truppen besetzte Serbien.

Slovenien:

Heydrich erhielt über Himmler Befehl, umgehend mit der "Bereinigung der Volkstumsfragen" in dem neu zum Reich gekommenen Gebieten im Südosten, zu beginnen. Es handelte sich im wesentlichen um die Evakuieurng von 260.000 Slowenen nach Serbien; es war dies eine ursprünglich befohlene Zahl, die soweit ich mich glaube erinnern zu können, auch nicht annähernd erreicht wurde.

Ich erhielt um jene Zeit den Befehl,

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AE 83

Einladungsschreiben zu einer am 6. Mai 1941 in Marburg anberaumten Besprechung unter dem Vorsitz Heydrichs, an sämtliche deutschen Zentralinstanzen auszusenden. So an das Auswärtige Amt, Reichswirtschaftsministerium, Reichinnenministerium, Beauftragten für den Vierjahresplan, Reichsfinanzministerium, Kanzlei des Führers, Rasse- und Siedlungshauptamt, Reichsverkehrsminsterium u.a.m.

Die Tätigkeit der Evakuierung lief unter den Auspizien des Reichsführers SS u. Chef der Deutschen Polizei, als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums. Das Konferenzziel war, daß alle beteiligten Zentralinstanzen nach dem Aussiedlungsgebiet ihre Vertreter zur Hitler – Befehl – Durchführung abzustellen haben und dort die ihnen obliegenden Ressortarbeiten an Ort und Stelle zu erledigen.

Meine Aufgabe war es für die laufende Berichterstattung von "oben nach unten" und umgekehrt Sorge zu tragen.

Die Aussiedlungsbestimmungen selbst, war eine Angelegenheit des Amtes III, des Reichssicherheitshauptamtes, sowie die des Rasse- u. Siedlungshauptamtes. (99)

Serbien:

Am 11. Mai 1941 ergeht seitens des Militärbefehlshabers in Serbien, eine Einladung zur Besprechung über Judenangelegenheiten,

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AE 84

an den Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft in Serbien, Generalkonsul Neuhausen, an dem Bevollmächtigten des Auswärtigen Amtes in Serbien, den Gesandten Benzler, an den Chef der Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD, Dr. Fuchs, dem Feldkommandanten Oberst Keisenberg und an den Leiter der Verwaltungsgruppe Oberkriegsverwaltungsrat Dr. Rantze. (100) Fünf Tage später wurden die Juden von Belgrad aufgefordert, sich am 19.4.41, um 8 Uhr früh, bei der Städtischen Schutzpolizei, zu melden. (101)

Und seitens des Gesandten Benzler und Veesenmayer geht nunmehr Forderung um Forderung nach Beseitigung dieser Juden aus dem serbischen Raum, an das Auswärtige Amt, nach Berlin ab.

Am 8. Sept. 1941 schreiben Benzler und Veesenmayer an das Auswärtige Amt: "… Es ist daher dringend geboten, nunmehr beschleunigt für Sicherstellung und Entfernung zu mindestens aller männlichen Juden zu sorgen. Die hierfür in Frage kommende Zahl dürfte ? 8.000 betragen…"

Am 10. Sept. 1941, lassen Benzler und Veesenmayer aus Belgrad verlauten: "Rasche und drakonische Erledigung serbischer Judenfrage ist dringenstes und zweckmäßigstes Gebot. Erbitte von Herrn Reichsaußenminister entsprechende

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AE 85

Weisung, um beim Militärbefehlshaber Serbien, mit entsprechendem Nachdruck wirken zu können. Seitens serbischer Regierung und Bevölkerung, ist keinerlei Widerstand zu erwarten, umso weniger, als bisherige Teilmaßnahmen sich bestens bewährt haben. Gleichlautender Befehl von Reichsführer SS, an chef der Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei, SS-Standartenführer Fuchs, würde Angelegenheit wesentlich fördern. (102)

Es ging anfänglich darum, diese 8.000 Juden auf eigendeine, zu Rumänien gehörende Donauinsel zu verbringen. Dies wurde jedoch von Ribbentrop abgelehnt, da es ohne Zustimmung der Rumänen nicht durchgeführt werden könne. Unterstaatssekretär Luther teilte dies am 11. Sept. an Benzler mit und bemerkte, daß es anheimgestellt würde, die Juden in Arbeitslager sicherzustellen. (103)

Aber sofort, am 12. Sept., antwortet Benzler, daß Unterbringung in Arbeitslagern nicht möglich sei, da infolge der inneren Zustände – Aufstände – die Sicherung nicht gewährleistet erscheine. Es bliebe nur noch die sofortige Abschiebung etwa nach dem Generalgouvernement oder Rußland, was aber erhebliche Transportschwierigkeiten breiten dürfte. Anderenfalls müße die Judenaktion vorläufig zurückgestellt werden, was gegen die ihm,

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AE 86

von Ribbentrop, erteilten Weisungen sei. (104)

Am 13. Sept. legt der Legationsrat Rademacher seinem Unterstaatssekretär eine bemerkenswerte Aufzeichnung vor.

"Die Notwendigkeit der von der Dienststelle des Bevollmächtigten des Auswärtigen Amtes in Belgrad gewünschten Abschiebung der 1.200 männlichen Juden, wenn nicht nach Rumänien, so doch nach dem Generalgouvernement oder nach Rußland, vermag ich nicht einzusehen. Rußland ist als Operationsgebiet zur aufnahme von Juden völlig ungeeignet. Wenn sie schon in Serbien eine Gefahr sind, sind sie in Rußland eine noch viel größere. Das Generalgouvernement ist bereits mit Juden übersättigt. M.E. müßte es bei der nötigen Härte und Entschlossenheit möglich sein, die Juden auch in Serbien in Lager zu halten. Wenn die Juden dort nach wie vor Unruhen schüren, muß gegen sie mit verschärftem Standrecht vorgegangen werden. Ich kann mit nicht vorstellen, daß die Juden weiter konspirieren, wenn erst eine größere Anzahl von Geiseln erschoßen ist." (105)

Benzler richtet am 28. Sept. ein erneutes dringendes Telegramm; für den Reichsaußenminister persönlich. Er erinnert ihn

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an seine Zusage, ihm zu helfen, die Juden, Freimaurer und englandhörige Serben, sei es donauabwärts, sei es in Konzentrationslager in Deutschland oder im Generalgouvernement, unterzubringen. Sofortige Lösung der Judenfrage sei im Augenblick in Serbien die politisch wichtigste Aufgabe und Voraussetzung für Inangriffnahme der Beseitigung von Freimaurern und deutschlandfeindlicher Intelligenz. Die im Gange befindliche militärische Aktion zur Aufstandsbekämpfung schaffe jetzt den geeigneten Zeitpunkt für den Befinn der Aktion. Zudem habe General Böhme, ebenso wie der Militärbefehlshaber, erneut nachdrücklich gebeten, auch in ihrem Namen, möglichst sofortige Abschickung der Juden außer Landes zu erwirken. Es handele sich zunächst um etwa 8.000 männliche Juden, deren Unterbringung in Lager unmöglich sei, da diese Lager für Unterbringung von 20.000 Serben aus den aufstandsgebieten in Anspruch genommen werden müßen.

Mit den restlichen etwa 20.000 Juden und Familienangehörigen, werden sie dort selbst fertig werden müßen, die Abschickung auf eine Insel im Donaudelta erscheine transportmäßig die einfachste Lösung und Benzler erbittet abschließend,

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zusammen mit Veesenmayer, in dieser Frage die erste Voraussetzung für angestrebte Dauerbefriedung sei, um dringende Unterstützung. (106)

Hierzu nahm Luther – zwecks Vorlage über den Staatssekretär, bei dem Reichsaußenminister – am 2. Oktober wie folgt Stellung:

"Wenn der Militärbefehlshaber mit Benzler dahingehend einig ist, daß diese 8000 Juden in erster Linie die Befriedungsaktion im serbischen Altreich verhindern, so muß meiner ansicht nach der Militärbefehlshaber für die sofortige Beseitigung dieser 8.000 Juden Sorge tragen. In anderen Orten sind anderer Militärbefehlshaber mit einer wesentlich größeren anzahl von Juden fertig geworden, ohne überhaupt darüber zu reden.

Meiner Ansicht nach können wir dem rumänischen Staatsführer, welcher ohnehin genügend Sorgen mit der Abschiebung seiner eigenen Juden hat, nicht zumuten, weitere 8.000 Juden aus fremden Staatsgebiet zu übernehmen.

Ich bitte daher um die Ermächtigung, diese Frage mit Obergruppenführer Heydrich, welcher in den nächsten Tagen auf kurze Zeit von Prag nach Berlin kommen wird, zu besprechen. Ich bin überzeugt, daß wir im Einvernehmen mit ihm

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sehr bald zu einer klaren Lösung dieser Frage kommen können." (107)

Noch am selben Tage, um 22,20 Uhr, gab Ribbentrop bekannt, sofort mit Himmler die Frage zu klären, ob er die 8.000 Juden, nach Ostpolen schaffen könne. Und mit Heydrich wurde vereinbart, daß ein Sonderbeauftragter der Reichssicherheitshauptamtes zur Regelung der Frage nach Belgrad kommen werden. Drei Tage später schreibt Luther nach Belgrad, daß ich in Begleitung des Legationsrates Rademacher die Reise antreten würde. Am 15. Oktober wurde dieser Plan wieder aufgegeben, dann Luther mußte Belgrad mitteilen, daß nicht ich, sondern andere, als Vertreter des Reichssicherheitshauptamtes, gemeinsam mit Rademacher nach Belgrad kämen.

Auch hier scheint aber wieder etwas dazwischen gekommen zu sein, denn Rademacher fuhr – wie sein Dienstreisegenehmigungsantrag den er an seine Behörde richtete lautet – zwecks Liquidierung von 8.000 Juden, offensichtlich alleine nach Belgrad, denn sein ausführlicher Dienstreisebericht beinhaltet nichts über andere Dienstreiseteilnehmer; auch die Akten besagen nicht diesbezüglich. (109)

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In Serbien geschah in der Zwischenzeit folgendes:

Der Bevollmächtigte Kommandierende General in Serbien, General der Infanterie, Böhme, erließ am 10. Okt. 41, einen Befehl, demzufolge es notwendig geworden sei, die Befehle des Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht, in der schärfsten Form durchzuführen.

Es seien daher in allen Standorten sämtliche männlichen Kommunisten, Juden und eine bestimmte Anzahl nationalistischer und demokratisch gesinnter Einwohner, als Geiseln festzunehmen.

Für jeden getöteten oder ermordeten deutschen Soldaten oder Volksdeutschen sind 100 Gefangene oder Geiseln zu erschießen; für jeden Verwundeten deren 50.

Der Chef des Generalstabes des Bevollm. Kommandierenden Generals in Serbien befahl am 19. Oktober 1941 die Exekution an 2.200 Festgenommenen, für 10 gefallene und 24 verwundete deutsche Soldaten. (110)

Rademacher schrieb in seinem Dienstreisebericht vom 25. Okt. 41, daß seine erste Aussprache mit dem Gesandten Benzler und dem Staatsrat Turner auf der Dienststelle des Militärbefehlshabers ergeben hätte, daß bereits über 2000

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dieser Juden als Repressalie für Überfälle auf deutsche Soldaten erschoßen waren.

Ins Einzelne gehende Verhandlungen mit den Sachbearbeitern der Judenfrage SS-Sturmbannführer Dr. Weimann von der Dienststelle des Staatsrates Turner und dem Leiter der Staatspolizeistelle (er meint hier den Chef der Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei) SS-Standartenführer Dr. Fuchs, und dessen Judenbarbeiterin ergaben:

"1.) Die männlichen Juden sind bis Ende dieser Woche erschoßen, damit ist das in dem Bericht der Gesandtschaft angeschnittene Problem ereldigt.

2.) Der Rest von etwa 20.000 Juden (Frauen, Kinder, alte Leute) sowie rund 1.500 Zigeuner, von denen die Männer ebenfalls noch erschoßen werden, sollte in sogenannte Zigeunerviertel der Stadt Belgrad als Ghetto, zusammengefaßt werden." (111)

Jetzt aber wurde es dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Herrn von Weizsäcker zu Berlin, denn doch zu viel und er schrieb am 22. November auf Grund einer Aufzeichnung, der Abteilung D III seines amtes vom 7. Nov., daß gemäß Führererlaß vom 28.4.1941, der Bevollmächtigte des Auswärtigen Amtes für die Behandlung aller in Serbien auftauchenden Fragen außen-

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politischen Charakters zuständig sei und daß demnach der Gesandte Benzler und mit ihm das Auswärtige Amt sich mit dem Abtransport von Juden aus Serbien nach anderen Ländern zu befassen habe, es dagegen über Benzlers und des Auswärtigen Amtes Aufgabe hinausginge, darin aktiv mitzuwirken. Er habe heute dem Gesandten Benzler mündlich dasselbe gesagt und es würde sich empfehlen, ihn noch entsprechen schriftlich zu unterrichten.

Dagegen führte Unterstaatssekretär Luther in einer Notitz für seinen Staatssekretär am 12. Dez. 1941, yu seiner Verteidigung in´s Treffen, was er alles gemäß Weisung Ribbentrops unternommen habe und er daher annehmen mußte, das es im Sinne des Herrn Reichsaußenministers lag, wenn sich das Auswärtige Amt "in diese an sich sicherlich, recht heikle Angelgenheit" einschaltete. (112)

Dieser "Streit im Hause" scheint der Grund zu sein, weshalb sich auf einem Telegramm Benzlers an das Auswärtige Amt vom 12. Sept. 41, fogende handschriftlichen Vermerke finden: "Bitte sofort mit Reichssicherheitshauptamt sprechen, dann Bericht.

Luther, 12.9."

Unterschriftkürzel

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"Nach Auskunft Sturmbannführer Eichmann, Reichssicherheitshauptamt, IV D VI, Aufnahme im Reichsgebiet und Generalgouvernement unmöglich. Nicht einmal die Juden aus Deutschland können dort untergebracht werden. Eichmann schlägt Erschießen vor.

Rademacher 13.9."

Dazu sagte Rademacher am 30. Juli 1948, in Nürnberg folgendes aus:

"Auf Grund der Notitz Luthers vom 12.9. bin ich am 13.9. zum Vortrag bestellt worden. Ich erinnere mich noch genau, daß ich ihm gegenüber saß als ich mit dem Reichssicherheitshauptamt telephonierte und daß ich die handschriftlichen Stichworte über Eichmanns Antwort aufschrieb und während des Telepphonates zu Luther hinüberschob. Eichmann hat dem Sinne nach gesagt, daß die Militärs für die Ordnung in Serbien verantwortlich seien und aufständische Juden eben erschießen müßten. Auf meine Nachfrage wiederholte er einfach: ‚Erschießen‘ und hing auf."

Nun, ich habe nie eine solche Äußerung getan; sie ist von Rademacher frei erfunden. Ich hätte dazu auch gar keine Befugnis gehabt.

Wegen viel geringerer Angelegenheiten wurden zwischen dem Reichssicherheitshaupt-

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amt und dem Auswärtigen Amt und umgekehrt, hunderte von Schreiben gewechselt. Ja, mit einer ausgesprochenen bürokratischen Pedanterie darauf geachtet, gegeseitige Stellungnahmen stets säuberlich bei den Akten, gemäß den bürokratischen Vorschriften, zu haben.

Ferner; man stelle sich vor, im Auswärtigen Amt sitzen sich zwei Männer gegenüber. Beide kennen sich gut. Der eine von ihnen kennt den Telephonpartner dienstlich sehr gut, der andere kennt ihn dienstlich gut.

Es wird schnell angerufen. Beide wissen wen und wo.

Rademacher trägt den Sachverhalt vor. Luther sitzt ihm dabei gegenüber. Rademacher schreibt die Auskunft auf die Akte.

Ich frage daher vom Standpunkt des Kriminalisten: meines Erachtens fängt in einem solchen Falle ein Person kaum an zu schreiben: "Nach Auskunft Sturmbannführer Eichmann, R & H.A. IV D VI … ."

Luther weiß dies alles, denn er sitzt ja gegenüber und er kannte mich ja schon lange.

Es kann auch nicht stimmen, daß Rademacher meine angebliche Auskunft während dieses angebliche Telephonat zu Luther über den Schreibtisch hinüber-

/421/AE 95

schob, denn wenn man seine Notitzen und Aussagen durchspielt, geht die Sache nicht auf.

Des weiteren, mit keinem Wort werde ich im Laufe der weiteren diesbezüglichen Aktenbehandlung mehr erwähnt, was doch sonst sehr nahe liegend wäre. Nein, es ist schon so wie ich sagte, hier wurde infolge der Weizsäcker´schen Rügen schleunigst ein zusätzliches "Entlastungsmaterial" nachträglich geschaffen, wie solches in ähnlichen Fällen innerhalb der Zentralinstanzen gerne praktiziert wird.

Und letztlich ist in diesem Zusammenhang unter Umständen auch die Aussage v. Weizsäckers während des Nürnberger Prozesses nicht uninteressant. (113) Abgesehen davon war meine Dienstbezeichnung nicht IV D VI, sondern IV B 4.

Kroatien:

Der deutsche Gesandte der kroatischen Republik in Adram, Kasche richtete an das Auswärtige Amt nach Berlin ein Telephonat, in dem er mitteilte, das die kroatische Regierung mit der Aussiedlung der Juden grundsätzlich einverstanden sei. Er halte es daher für richtig, mit der Aussiedlung zu beginnen und zwar für das gesamte Staatsgebiet. Man könne es darauf ankommen lassen, ob sich im Zuge der Aktion Schwierigkeiten ergeben, soweit es sich um die von Italienern

/422, 423/AE 96

besetzte Zone handele. (114)

Luther machte diese Mitteilung am 24. Juli 42, zum Gegenstand einer Vorlage bei Ribbentrop.

Am 16. Oktober 42 meldete Kasche, daß der kroatische Finanzminister Kosak sich bereit erklärt habe, dem Deutschen Reich für jeden ausgesiedelten Juden Dreißig Reichsmark zur Verfügung zu stellen. Die schriftliche Bestätigung, sowie die Zahlungsweise würde mit dem Außenminister Lorkovic vereinbart. Die Vorbereitungsarbeiten für die Aussiedlung der Juden aus den von den Italienern besetzten Zonen, werden von dem Polizeiattaché durchgeführt. Er bäte, das Reichssicherheitshauptamt zu verständigen. (115)

Aber die Italiener hatten sich die Durchführung doeser Aufgabe selbst vorbehalten und eine Überstellung der Juden an Deutschland abgelehnt. (116)

Inzwischen wurde dem Polizeiattaché als Gehilfe ein SS-Hauptsturmführer Abromeit unterstellt, welcher den Abtransport der Juden aus Kroatien, soweit diese für eine Evakuierung in Frage kamen, zu übernehmen und die Transportzüge von der Deutschen Reichsbahn zu bestellen hatte.

Die Erfassung der Juden würden durch die jeweils zuständigen Polizeichefs bei

/424, 425/AE 97

den Großgespanschaften, gemäß einer Anweisung der Hauptdirektion für öffentliche Ordnung und Sicherheit, durchgeführt werden. (117)

Am 22. April 1944 gibt der Gesandte Kasche einen Bericht über die Judenfrage in Kroatien an das Auswärtige Amt, worin er feststellt, daß diese in Kroatien "in weitem Maße bereinigt" worden ist; es handele sich jetzt nur noch um Maßnahmen in den Küstengebieten. Als Anlage fügt er einen Bericht seines Polizeitattachés bei. Bekanntlich wurde die Judenaussiedlung aus Kroatien – so heißt es in diesem Bericht – im Spätherbst 1942 durch die zuständigen kroatischen Behörden, unter Einschaltung einer beratenden Tätigkeit des Polizeiattaches durchgefährt. Es läge ein Schreiben des Reichssicherheitshauptamt vor, demzufolge auf Befehl Himmlers die Judenfrage in Kroatien in schnellster Zeit bereinigt werden soll. Auf Grund des Himmler-Befehls, würde durch den Befehlshaber der Sicherheitspolizei, im engsten Einvernehmen mit ihm, die Judenfrage nochmals eingehendst geprüft. (118)

/426/AE 98

11 –

Rumänien:

Der Deutsche Gesandte in Rumänien Manfred Freiherr von Killinger fordert vom Auswärtigen Amt den Berater für Arisierung- und Romanisierungsfragen SS-Hauptsturmführer Richter, der zum Reichssicherheitshauptamt gehört, am 7.8.1941 an; man möge ihn nach Bukarest zurückentsenden.

Eine dahingehende Bitte des stellvertretenden Ministerpräsidenten Mihai Antonescu an Himmler, sei ebenfalls bereist auf dem Wege nach Berlin. (119)

Und Luther konnte in einem ausführlichen Lagebericht an Ribbentrop u.a. hierzu bemerken, daß es trotz streuben des Reichssicherheitshauptes, auf Antrag des Auswärtigen Amtes gelungen wäre, Richter, der aus Rumänien zurückgezogen wurde, wieder nach Bukarest zu bekommen. (120)

Richter hatte alsbald zwei bedeutsame Unterredungen mit Mikai Antonescu. Die eine am 12. Dez. 1941, die zweite am 23.1.1942.

In beiden Besprechungen handelte es sich vornehmlich um das Einverständnis, die rumänische Regierung möge, in Anlehnung an den Himmler-Befehl, betreffend Verbot der Auswanderung von Juden ans Deutschland und von besetzten Gebieten, vom Oktober 1941, auch von sich aus ein solches Verbot für das

/427, 428/AE 99

rumänische Hoheitsgebiet erlassen. Richter schreibt darüber in seinem Bericht, daß der Chef der Sicherheitspolizei und des SD (Heydrich) von sich aus den Berater (also ihn) davon in Kenntnis gesetzt habe. Der Chef der Sicherheitspolizei wünsche nun, daß auch die Auswanderung von Juden aus Rumänien unter allen Umständen unterbunden wird. - /1 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/ (121)

Am 30.August 1941 wird in Tighina, zwischen dem Oberkommando des deutschen Heeres, vertreten durch den Generalmajor Hauffe und dem Vertreter des Königlich Rumänischen Großen Generalstabes, Brigadegeneral Tatarascu eine Vereinbarung getroffen über die Sicherung, Verwaltung und Wirtschaftsauswertung der Gebiete zwischen den Flüßen Dujestc und Bug und Bug und Dujepc. Dieser Vereinbarung lagen unter anderen ein Schreiben "Hitlers an den rumänischen Staatschef Antonescu" v. 14.8.1941 und das Antwortschreiben "Antonescu an den Führer und Reichskanzler des Deutschen Reiches, Hitler", zugrunde.

Im Punkt sieben des Vertrages heißt es: "Abschub der Juden über den Bug ist zur Zeit nicht möglich. Sie müßen daher in Konzentrationslager

/429, 430/AE 100

zusammengefaßt und zur Arbeit eingesetzt werden, bis nach Abschluß der Operationen ein Abschub nach Osten möglich ist." (122)

Im April 1942 teilte der Reichskommisar für die besetzten Ostgebiete den in Frage kommenden Zentralinstanzen nach Berlin mit, daß örtliche rumänische Stellen in letzter Zeit etwa 10.000 Juden über den Bug in das Reichskommissariat Ukraine abgeschoben hätten und die Abschiebung weiterer 60.000 rumänischer Juden, den Umständen nach zu befürchten sei. Auch das Reichssicherheitshauptamt erhielt solch eine Beschwerde.

Gemäß Befehl meiner Vorgesetzten schrieb ich daraufhin am 14. April 1942 an das Auswärtige Amt, daß bei den örtlichen rumänischen Stellen seitens der rumänischen Regierung auf unverzügliche Einstellung dieser illegalen Judentransporte hinzuwirken wäre. Da angenommen werden, daß seitens der rumänischen Regierung bedingungslos entsprochen würde, /1 ½ Zeilen durchgestrichen, unleserlich/ wird zwecks Vermeidung einer Verschärfung der durch die illegale Abschiebung der Juden zwischen den örtlichen Stellen bereits enstandenen Spannungen, zunächst von sicherheitspolizeilichen Maßnahmen abgesehen.

Für den Fall jedoch – so hatte ich weisungsgemäß weiter zu schreiben – daß die rumänische Regierung dem

/431/AE 101

Ersuchen um Einstellung nicht entspreche, oder aber örtliche rumänische Stellen entgegen einer Weisung der rumänischen Regierung handeln und weiterhin Juden abschieben sollten, bleiben sicherheitspolizeiliche Maßnahmen vorbehalten.

Im Mai 1942, wurden diese, über den Bug abgeschobenen Juden, in der Ukraine liquidiert. Sie wurden von den örtlichen Stellen gemäß einer höheren Weisung getötet. Die Literatur hat sich hierbei insbesonderlich meinen Satz bezüglich der "sicherheitspolizeilichen Maßnahmen" gemerkt. Jedermann aber, der auch nur halbwegs lesen kann, vermag ohne geringste Mühe zu verstehen, daß diese Maßnahmen sicherheitspolizeilicher Natur nicht gegen die Juden zur Anwendung zu bringen sind, sondern gegen die örlichen rumänischen Stellen, welche die Abschiebungsmaßnahmen durchführten. Und jeder im Grenzdienst stehende weiß, daß unter solchen Maßnahmen eine Sperrung der Grenze zu verstehen sei, Worte welche man in dieser scharfen Form im gegenseitigen Verkehr, eben allgemeiner, mit sicherheitspolizeiliche Maßnahmen, umschreibt. (123)

/432/AE 102

Um es gleich vorweg zu nehmen, nicht daß die damalige Reichsführung gegen eine abschiebung von Juden nach dem Osten gewesen wäre. Im Gegenteil. Gerade um diese Zeit, Mitte 1942, lagen besonders scharfe Befehle Himmlers zur Intensivierung der Judendeportationen nach dem Osten vor. Aber offensichtlich hatte Rosenberg, der Reichsminster für die besetzten Gebiete bei höchster Stelle gegen eine solche "regellose und unkontrollierbare" Abschiebung in "sein" Gebiet Protes erhoben.

Denn etwa zu gleicher Zeit, als diese Aufregung durch den Berliner Behördenwald wehte, schrieb Müller an Luther, daß vorgesehen sei etwa ab 10. Sept. 1942, nunmehr auch Juden aus Rumänien in Sonderzügen nach dem Osten zu schaffen. Der zu erfassende Personenkreis erstrecke sich zunächst auf arbeitsfähige Juden, soweit sie nicht unter die privilegierten Ausnahmen fallen. Und an Himmler geht dieselbe Mitteilung, jedoch mit dem Bemerken, daß der arbeitsfähige Teil arbeitseinsatzmäßig angesetzt würde, der Rest der Sonderbehandlung unterzogen werden soll. (124)

Luther schrieb daraufhin an Müller zurück, daß grundsätzlich seitens des Auswärtigen Amtes keine Bedenken dagegen bestünden, daß nunmehr auch

/433/AE 103

die Abbeförderung der Juden aus Rumänien nach dem Osten in Angriff genommen wird. Bezüglich des Umfanges des zu erfassenden Personenkreises und der Haltung der rumänischen Regierung schwebten jedoch noch Ermittlungen, nach deren Abschluß man auf diese Angelegenheit zurückkommen würde. (125)

Am 15. September 1942 richtet Killinger ein Telegramm an das Auswärtige Amt und teilt mit, da die rumänische Regierung auf die Verbalnote der deutschen Gesandtschaft vom 27. August noch nicht geantwortet habe, könne ein Termin über den Beginn der Aussiedlungsaktion nicht festgelegt werden. (126)

In der ganzen Angelegenheit kommt es zwischen Killinger und Luther einem recht beachtlichen und energischen Briefwechsel in dessen Verlauf der oftmals unbeherrschte Killinger blindlings mit Vorwürfen gegen andere vorgeht, ohne sich die Mühe einer sachlichen Prüfung zu nehmen. Der Anlaß hierfür ist eigentlich sein eigener, ihm unterstellter SS-Hauptsturmführer Richter, der einige Zeit später zu seinem Polizeiattaché ? wird. Dieser hat sich von dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Rumäniens, Mihai Antonescu ein Handschreiben ausstellen lassen, demzufolge Rumänien mit der

/434/AE 104

Aussiedlung der Juden nach dem Osten, einverstanden ist.

Nun, Richter war ein Mann, der aus dem Nachrichtendienst nicht nur kam, sondern zu jder Zeit mit beiden Beinen darin stand. Die peinliche Beobachtung bürokratischer Feinheiten, eine ordnungsgemäße Aktenbearbeitung, absolute Einhaltung des Dienstwegesund was dererlei Vorschriften nich sein mochten, lag ihm nicht besonders. Verhandlungen mit untergeordneten Instanzen, etwa Referenten, lag ihm ebenfalls nicht. Er verhandelte und trug vor, der Stelle, die er als richtig fand und dies waren jeweils die Chefs. So auch gelang ihm als einziger Berater der Sprung, zum Polizeiattaché akkreditiert zu werden.

Natürlich entsprach die Form des Erlangung eines solchen Handschreibens von einer solch hohen offiziellen Stelle, nicht den üblichen diplomatischen Gepflogenheiten. Und es ist nicht sehr verwunderlich, wenn Luther seitens des Auswärtigen Amtes hierüber dem Gesandten Killinger sein Erstaunen zum Ausdruck gebracht haben mag.

Und Killinger reagierte hierauf sehr böse, und sparte nicht mit Vorwürfen.

Wie das Auswärtige Amt annehmen

/435, 436/AE 105

könne, daß er derart wichtige Fragen ausschließlich von einem SS-Offizier erledigen lasse; oder: daß der Berater die Vorarbeit auf seinem Befehl gemacht hat, st eine Selbstverständlichkeit.

Aber er verstünde andererseits nicht, daß wenn schon ein so hoher Beamter der rumänischen Regierung, wie der Kommissar für Judenangelegenheiten Lecca, nach Berlin zu Verhandlungen käme, dieser durch das Auswärtige Amt gewissermaßen zwischen Tür und Angel abgefertigt werde, was ganz zweifellos zu Verstimmungen führen müße.

In seinem blinden Zorn schreibt er über den postalischen Dienstweg zwischen Gesandtschaft – Auswärtige Amt – Reichssicherheitshauptamt und umgekehrt und unterstellt mir, ich hätte mich nicht an diesen vorgeschriebenen Dienstweg gehalten. Es ist ein Unsinn; durch nichts ist zu belegen, daß ich mir heir einen Formfehler in bürokratischer Hinsicht hätte zu Schulden kommen lassen; ja ich hatt überhaupt mit dieser Sache nichts zu tun gehabt, weil Richter die angelegenheit im Einvernehmen mit seinem eigenen Gesandten durchführte, was Killinger merkwürdigerweise im selben Atemzuge eigenhändig bestätigte. Luther selbst schreibt auf eine Akte schließlich resignierend vor der Sturköpfigkeit seines Gesandten, Killinger wolle einfach nicht verstehen.

/437, 438/AE 106

Und dies alles, als Luther etwa um die gleiche Zeit in einem Bericht an seinen Minster schrieb, daß das Reichssicherheitshauptamt von einer geradezu übertriebenen Vorsicht sei. (127)

Am 9. Oktober 1942 erkundigt sich Gesandtschaftsrat Dr. Stelzer nach der Verbalnote

Vom 27. August. Mihai Antonescu beeilte sich zu versichern, daß er sie noch nicht vergessen habe. Auch seine Besprechungen mit dem Reichsaußenminister in dessen Feldquartier, hätten sich auf dieser L? bewegt; es sei daher eher an Deutschland, nunmehr konkrete Vorschläge zu machen.

Richter suchte daher am 22. Oktober Mihai Antonescu auf. Dier erklärte – offenbar sehr zu Richters Erstaunen – er habe der Aussiedlung der Juden aus Rumänien zugestimmt und es sei auch in Berlin diesbezüglich verhandelt worden; andererseits aber seien die Deportationen über den Bug verboten worden. (Siehe dazu mein Schreiben welches ich befehlsmäßig zu fertigen hatte und worin ich mit sicherheitspolizeilichen Maßnahmen winken mußte, für den Fall die Deportationen über den Bug nicht eingestellt würden.) Hier seu seiner Meinung nach ein Widerspruch. Richter kommt zu dem Schluß, daß der Staatschef Mrschall Antonescu die Aussiedlung der Juden verschoben

/439/AE 107

habe. Und es gelingt Richter sich in den Besitz einer photokopierten Anordnung des Marschalls zu setzen, in der es heißt:

"Die Evakuieurng aus Siebenbürgen wird nur studiert. Die Durchführung wird aufgeschoben. Sie wird nur dann begonnen werden, wenn der günstige Augenblick kommen wird. Bis dahin werden bis in die kleinsten Einzelheiten von dem Innenministerium auf Grund der von Herrn M. Antonescu erteilten Anweisungen Vorbereitungen getroffen. Marschall Antonescu."

Am 14. Dez. 1942 schreibt Luther an die Gesandtschaft nach Bukarest auf deren Bericht vom 26. Nov., daß die Tatsache, der Stockung im Hinblick auf eine Judenaussiedlung aus Rumänien zunächst nicht schwer in‘s Gewicht falle, da während der Hauptwintermonate ein Abtransport ohnedies nicht gewünscht ist. Gleichzeitig nimmt er positiv Stellung, zu einer Einladung welche – offensichtlich durch Vermittlung der Gesandtschaft – rumänischerseits an mich erging. Im folgenden Januar lehnte ich wegen Arbeitsüberlastung ab; eine diensthöfliche Form die damals gang und gäbe war. Besser gesagt und richtiger, bekam ich Befehl,

/440/AE 108

die Einladung abzulehnen. (128) Da nichts lästiger ist, als offiziellen Einladungen nachzukommen und sie zu überstehen – jedenfalls für mich – gehörte es mit zu meinen angenehmen Obliegenheiten, wenn ich solche ablehnen konnte. –

Und endlich am 2. November 1943m schrieb mir der Legationsrat von Thadden, zu meinen oder meines Vertreters Händen,

"Die Deutsche Gesandtschaft in Bukarest hat sich u.a. geäußert:

Das Vorgehen gegen die Juden ist im wesentlichen eingeschlafen. Man nimmt lediglich den reichen Juden das Geld ab und zieht ärmere Judem zum Arbeitsdienst ein. Die Gesandtschaft zieht den Schluß, daß die Rumänen dem jüdischen Treiben freien Lauf lassen, um die Engländer und Amerikaner nicht zu vergrämen. Eine Änderung des rumänischen Verhaltens dürfte sich erst erzielen lassen, wenn es zu einer Stabilisierung der Ostfront gekommen ist und die Sorge, unbedingt den Versuch machen zu müßen, sich mit den Angloamerikanern gut zu stellen, bevor die Russen rumänisches Gebeit erreichen, nicht mehr berechtigt erscheint." (129)

/426/AE 98

11 –

Rumänien:

Der Deutsche Gesandte in Rumänien Manfred Freiherr von Killinger fordert vom Auswärtigen Amt den Berater für Arisierung- und Romanisierungsfragen SS-Hauptsturmführer Richter, der zum Reichssicherheitshauptamt gehört, am 7.8.1941 an; man möge ihn nach Bukarest zurückentsenden.

Eine dahingehende Bitte des stellvertretenden Ministerpräsidenten Mihai Antonescu an Himmler, sei ebenfalls bereist auf dem Wege nach Berlin. (119)

Und Luther konnte in einem ausführlichen Lagebericht an Ribbentrop u.a. hierzu bemerken, daß es trotz streuben des Reichssicherheitshauptes, auf Antrag des Auswärtigen Amtes gelungen wäre, Richter, der aus Rumänien zurückgezogen wurde, wieder nach Bukarest zu bekommen. (120)

Richter hatte alsbald zwei bedeutsame Unterredungen mit Mikai Antonescu. Die eine am 12. Dez. 1941, die zweite am 23.1.1942.

In beiden Besprechungen handelte es sich vornehmlich um das Einverständnis, die rumänische Regierung möge, in Anlehnung an den Himmler-Befehl, betreffend Verbot der Auswanderung von Juden ans Deutschland und von besetzten Gebieten, vom Oktober 1941, auch von sich aus ein solches Verbot für das

/427, 428/AE 99

rumänische Hoheitsgebiet erlassen. Richter schreibt darüber in seinem Bericht, daß der Chef der Sicherheitspolizei und des SD (Heydrich) von sich aus den Berater (also ihn) davon in Kenntnis gesetzt habe. Der Chef der Sicherheitspolizei wünsche nun, daß auch die Auswanderung von Juden aus Rumänien unter allen Umständen unterbunden wird. - /1 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/ (121)

Am 30.August 1941 wird in Tighina, zwischen dem Oberkommando des deutschen Heeres, vertreten durch den Generalmajor Hauffe und dem Vertreter des Königlich Rumänischen Großen Generalstabes, Brigadegeneral Tatarascu eine Vereinbarung getroffen über die Sicherung, Verwaltung und Wirtschaftsauswertung der Gebiete zwischen den Flüßen Dujestc und Bug und Bug und Dujepc. Dieser Vereinbarung lagen unter anderen ein Schreiben "Hitlers an den rumänischen Staatschef Antonescu" v. 14.8.1941 und das Antwortschreiben "Antonescu an den Führer und Reichskanzler des Deutschen Reiches, Hitler", zugrunde.

Im Punkt sieben des Vertrages heißt es: "Abschub der Juden über den Bug ist zur Zeit nicht möglich. Sie müßen daher in Konzentrationslager

/429, 430/AE 100

zusammengefaßt und zur Arbeit eingesetzt werden, bis nach Abschluß der Operationen ein Abschub nach Osten möglich ist." (122)

Im April 1942 teilte der Reichskommisar für die besetzten Ostgebiete den in Frage kommenden Zentralinstanzen nach Berlin mit, daß örtliche rumänische Stellen in letzter Zeit etwa 10.000 Juden über den Bug in das Reichskommissariat Ukraine abgeschoben hätten und die Abschiebung weiterer 60.000 rumänischer Juden, den Umständen nach zu befürchten sei. Auch das Reichssicherheitshauptamt erhielt solch eine Beschwerde.

Gemäß Befehl meiner Vorgesetzten schrieb ich daraufhin am 14. April 1942 an das Auswärtige Amt, daß bei den örtlichen rumänischen Stellen seitens der rumänischen Regierung auf unverzügliche Einstellung dieser illegalen Judentransporte hinzuwirken wäre. Da angenommen werden, daß seitens der rumänischen Regierung bedingungslos entsprochen würde, /1 ½ Zeilen durchgestrichen, unleserlich/ wird zwecks Vermeidung einer Verschärfung der durch die illegale Abschiebung der Juden zwischen den örtlichen Stellen bereits enstandenen Spannungen, zunächst von sicherheitspolizeilichen Maßnahmen abgesehen.

Für den Fall jedoch – so hatte ich weisungsgemäß weiter zu schreiben – daß die rumänische Regierung dem

/431/AE 101

Ersuchen um Einstellung nicht entspreche, oder aber örtliche rumänische Stellen entgegen einer Weisung der rumänischen Regierung handeln und weiterhin Juden abschieben sollten, bleiben sicherheitspolizeiliche Maßnahmen vorbehalten.

Im Mai 1942, wurden diese, über den Bug abgeschobenen Juden, in der Ukraine liquidiert. Sie wurden von den örtlichen Stellen gemäß einer höheren Weisung getötet. Die Literatur hat sich hierbei insbesonderlich meinen Satz bezüglich der "sicherheitspolizeilichen Maßnahmen" gemerkt. Jedermann aber, der auch nur halbwegs lesen kann, vermag ohne geringste Mühe zu verstehen, daß diese Maßnahmen sicherheitspolizeilicher Natur nicht gegen die Juden zur Anwendung zu bringen sind, sondern gegen die örlichen rumänischen Stellen, welche die Abschiebungsmaßnahmen durchführten. Und jeder im Grenzdienst stehende weiß, daß unter solchen Maßnahmen eine Sperrung der Grenze zu verstehen sei, Worte welche man in dieser scharfen Form im gegenseitigen Verkehr, eben allgemeiner, mit sicherheitspolizeiliche Maßnahmen, umschreibt. (123)

/432/AE 102

Um es gleich vorweg zu nehmen, nicht daß die damalige Reichsführung gegen eine abschiebung von Juden nach dem Osten gewesen wäre. Im Gegenteil. Gerade um diese Zeit, Mitte 1942, lagen besonders scharfe Befehle Himmlers zur Intensivierung der Judendeportationen nach dem Osten vor. Aber offensichtlich hatte Rosenberg, der Reichsminster für die besetzten Gebiete bei höchster Stelle gegen eine solche "regellose und unkontrollierbare" Abschiebung in "sein" Gebiet Protes erhoben.

Denn etwa zu gleicher Zeit, als diese Aufregung durch den Berliner Behördenwald wehte, schrieb Müller an Luther, daß vorgesehen sei etwa ab 10. Sept. 1942, nunmehr auch Juden aus Rumänien in Sonderzügen nach dem Osten zu schaffen. Der zu erfassende Personenkreis erstrecke sich zunächst auf arbeitsfähige Juden, soweit sie nicht unter die privilegierten Ausnahmen fallen. Und an Himmler geht dieselbe Mitteilung, jedoch mit dem Bemerken, daß der arbeitsfähige Teil arbeitseinsatzmäßig angesetzt würde, der Rest der Sonderbehandlung unterzogen werden soll. (124)

Luther schrieb daraufhin an Müller zurück, daß grundsätzlich seitens des Auswärtigen Amtes keine Bedenken dagegen bestünden, daß nunmehr auch

/433/AE 103

die Abbeförderung der Juden aus Rumänien nach dem Osten in Angriff genommen wird. Bezüglich des Umfanges des zu erfassenden Personenkreises und der Haltung der rumänischen Regierung schwebten jedoch noch Ermittlungen, nach deren Abschluß man auf diese Angelegenheit zurückkommen würde. (125)

Am 15. September 1942 richtet Killinger ein Telegramm an das Auswärtige Amt und teilt mit, da die rumänische Regierung auf die Verbalnote der deutschen Gesandtschaft vom 27. August noch nicht geantwortet habe, könne ein Termin über den Beginn der Aussiedlungsaktion nicht festgelegt werden. (126)

In der ganzen Angelegenheit kommt es zwischen Killinger und Luther einem recht beachtlichen und energischen Briefwechsel in dessen Verlauf der oftmals unbeherrschte Killinger blindlings mit Vorwürfen gegen andere vorgeht, ohne sich die Mühe einer sachlichen Prüfung zu nehmen. Der Anlaß hierfür ist eigentlich sein eigener, ihm unterstellter SS-Hauptsturmführer Richter, der einige Zeit später zu seinem Polizeiattaché ? wird. Dieser hat sich von dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Rumäniens, Mihai Antonescu ein Handschreiben ausstellen lassen, demzufolge Rumänien mit der

/434/AE 104

Aussiedlung der Juden nach dem Osten, einverstanden ist.

Nun, Richter war ein Mann, der aus dem Nachrichtendienst nicht nur kam, sondern zu jder Zeit mit beiden Beinen darin stand. Die peinliche Beobachtung bürokratischer Feinheiten, eine ordnungsgemäße Aktenbearbeitung, absolute Einhaltung des Dienstwegesund was dererlei Vorschriften nich sein mochten, lag ihm nicht besonders. Verhandlungen mit untergeordneten Instanzen, etwa Referenten, lag ihm ebenfalls nicht. Er verhandelte und trug vor, der Stelle, die er als richtig fand und dies waren jeweils die Chefs. So auch gelang ihm als einziger Berater der Sprung, zum Polizeiattaché akkreditiert zu werden.

Natürlich entsprach die Form des Erlangung eines solchen Handschreibens von einer solch hohen offiziellen Stelle, nicht den üblichen diplomatischen Gepflogenheiten. Und es ist nicht sehr verwunderlich, wenn Luther seitens des Auswärtigen Amtes hierüber dem Gesandten Killinger sein Erstaunen zum Ausdruck gebracht haben mag.

Und Killinger reagierte hierauf sehr böse, und sparte nicht mit Vorwürfen.

Wie das Auswärtige Amt annehmen

/435, 436/AE 105

könne, daß er derart wichtige Fragen ausschließlich von einem SS-Offizier erledigen lasse; oder: daß der Berater die Vorarbeit auf seinem Befehl gemacht hat, st eine Selbstverständlichkeit.

Aber er verstünde andererseits nicht, daß wenn schon ein so hoher Beamter der rumänischen Regierung, wie der Kommissar für Judenangelegenheiten Lecca, nach Berlin zu Verhandlungen käme, dieser durch das Auswärtige Amt gewissermaßen zwischen Tür und Angel abgefertigt werde, was ganz zweifellos zu Verstimmungen führen müße.

In seinem blinden Zorn schreibt er über den postalischen Dienstweg zwischen Gesandtschaft – Auswärtige Amt – Reichssicherheitshauptamt und umgekehrt und unterstellt mir, ich hätte mich nicht an diesen vorgeschriebenen Dienstweg gehalten. Es ist ein Unsinn; durch nichts ist zu belegen, daß ich mir heir einen Formfehler in bürokratischer Hinsicht hätte zu Schulden kommen lassen; ja ich hatt überhaupt mit dieser Sache nichts zu tun gehabt, weil Richter die angelegenheit im Einvernehmen mit seinem eigenen Gesandten durchführte, was Killinger merkwürdigerweise im selben Atemzuge eigenhändig bestätigte. Luther selbst schreibt auf eine Akte schließlich resignierend vor der Sturköpfigkeit seines Gesandten, Killinger wolle einfach nicht verstehen.

/437, 438/AE 106

Und dies alles, als Luther etwa um die gleiche Zeit in einem Bericht an seinen Minister schrieb, daß das Reichssicherheitshauptamt von einer geradezu übertriebenen Vorsicht sei. (127)

Am 9. Oktober 1942 erkundigt sich Gesandtschaftsrat Dr. Stelzer nach der Verbalnote

Vom 27. August. Mihai Antonescu beeilte sich zu versichern, daß er sie noch nicht vergessen habe. Auch seine Besprechungen mit dem Reichsaußenminister in dessen Feldquartier, hätten sich auf dieser L? bewegt; es sei daher eher an Deutschland, nunmehr konkrete Vorschläge zu machen.

Richter suchte daher am 22. Oktober Mihai Antonescu auf. Dier erklärte – offenbar sehr zu Richters Erstaunen – er habe der Aussiedlung der Juden aus Rumänien zugestimmt und es sei auch in Berlin diesbezüglich verhandelt worden; andererseits aber seien die Deportationen über den Bug verboten worden. (Siehe dazu mein Schreiben welches ich befehlsmäßig zu fertigen hatte und worin ich mit sicherheitspolizeilichen Maßnahmen winken mußte, für den Fall die Deportationen über den Bug nicht eingestellt würden.) Hier seu seiner Meinung nach ein Widerspruch. Richter kommt zu dem Schluß, daß der Staatschef Mrschall Antonescu die Aussiedlung der Juden verschoben

/439/AE 107

habe. Und es gelingt Richter sich in den Besitz einer photokopierten Anordnung des Marschalls zu setzen, in der es heißt:

"Die Evakuieurng aus Siebenbürgen wird nur studiert. Die Durchführung wird aufgeschoben. Sie wird nur dann begonnen werden, wenn der günstige Augenblick kommen wird. Bis dahin werden bis in die kleinsten Einzelheiten von dem Innenministerium auf Grund der von Herrn M. Antonescu erteilten Anweisungen Vorbereitungen getroffen. Marschall Antonescu."

Am 14. Dez. 1942 schreibt Luther an die Gesandtschaft nach Bukarest auf deren Bericht vom 26. Nov., daß die Tatsache, der Stockung im Hinblick auf eine Judenaussiedlung aus Rumänien zunächst nicht schwer in‘s Gewicht falle, da während der Hauptwintermonate ein Abtransport ohnedies nicht gewünscht ist. Gleichzeitig nimmt er positiv Stellung, zu einer Einladung welche – offensichtlich durch Vermittlung der Gesandtschaft – rumänischerseits an mich erging. Im folgenden Januar lehnte ich wegen Arbeitsüberlastung ab; eine diensthöfliche Form die damals gang und gäbe war. Besser gesagt und richtiger, bekam ich Befehl,

/440/AE 108

die Einladung abzulehnen. (128) Da nichts lästiger ist, als offiziellen Einladungen nachzukommen und sie zu überstehen – jedenfalls für mich – gehörte es mit zu meinen angenehmen Obliegenheiten, wenn ich solche ablehnen konnte. –

Und endlich am 2. November 1943m schrieb mir der Legationsrat von Thadden, zu meinen oder meines Vertreters Händen,

"Die Deutsche Gesandtschaft in Bukarest hat sich u.a. geäußert:

Das Vorgehen gegen die Juden ist im wesentlichen eingeschlafen. Man nimmt lediglich den reichen Juden das Geld ab und zieht ärmere Judem zum Arbeitsdienst ein. Die Gesandtschaft zieht den Schluß, daß die Rumänen dem jüdischen Treiben freien Lauf lassen, um die Engländer und Amerikaner nicht zu vergrämen. Eine Änderung des rumänischen Verhaltens dürfte sich erst erzielen lassen, wenn es zu einer Stabilisierung der Ostfront gekommen ist und die Sorge, unbedingt den Versuch machen zu müßen, sich mit den Angloamerikanern gut zu stellen, bevor die Russen rumänisches Gebeit erreichen, nicht mehr berechtigt erscheint." (129)

/441, 442/AE 109

12 –

Bulgarien:

Dieses Land kannte eine der deutschen, ähnliche Judengesetzgebung. Seit 1942 wurde durch ein Ermächtigungsgesetz die Bestimmung des Judenbegriffs festgelegt, die Kennzeichnung durch den Judenstern, Namens und Wohnungbeschränkungen eingeführt, die gewerbliche und wirtschaftliche Bewegungsmöglichkeit eingeschränkt und die Liquidierung jüdischer Vermögen weiter vorgetrieben.

Am 27. Nov. 1941 sprechen der bulgarische Ministerpräsident Popoff und der deutsche Reichsaußenminister v. Ribbentrop, anläßlich eines Empfanges in Berlin, über die Judenfrage, wobei Popoff den Vorschlag machte, sie im europäischen Maßstabe zu lösen.

In seiner Berichterstattung vom 21. August 1942, teilt Luther seinem Reichsaußenminister mit, welche einleitenden Schritte er im Hinblick auf die ihm erteilte Order, die ihn nach dem Topoff-Ribbentrop-Gespräch übermittelt wurde, in die Wege geleitet habe. (130)

Und bereits am 15. Oktober waren die Besprechungen zwischen Deutschland und Bulgarien soweit gediehen, daß Luther dem Gesandten Beckerle nach Sophia drahten konnte, unter Bezugnahme auf diese Verhandlugnen an die bulgarische Regierung heranzutreten, um mit ihr die Frage eines Abtransportes, der nach den neuen bulgarischen Verordnungen un? Juden, nach dem Osten zu erwirken. Er schlug weiterhin vor, diese Juden im Interesse einer vermögensrechtlichen Klärung, analog der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. Nov. 1941, auszubürgern.

Je nach aufnahme dieses Vorschlages regte er ferner an, zu übermitteln, daß man

/443, 444/AE 110

bereit sei einen Berater zur Verfügung zu stellen. (131)

Die Antwort Beckerle‘s traf bereits am 16. Nov. im auswärtigen Amt ein. Der bulgarische Ministerpräsident begrüßte grundsätzlich die Maßnahmen, die Juden nach dem Osten zu verbringen und begrüßte es ferner dankbar, wenn noch vor dem Abtransport ein deutscher Berater nach Sofia abgestellt würde, damit dieser bei der Durchführung helfe. (132)

Es folgte nun ein Schriftwechsel zwischen dem Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amtes Luther und dem Amtchef IV im Reichssicherheitshauptamt, SS Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei Müller, in dessem Verlauf man sich einigt, daß der in Paris, beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei als Referent tätige, SS Hauptsturmführer Dannecker, nach Sofia versetzt wird. Er wurde dort dem Polizeiattaché, als dessen Gehilfe, unterstellt. (133)

Die bulgarische Regierung hatte bereits ein Judenkommissariat errichtet und zu dessen Leiter den Kommissar Belev ernannt. Er unterstand dem Ministerium für Inneres und Volksgesundheit. Beckerle berichtet am 8. Februar 1943, daß er vor der Einführung des Dannecker, mit dem bulgar. Innenminister Grabowski gesprochen habe, der ihm seine feste Absicht, alle Juden umzusiedeln, bestätigte.

/445/AE 111

Grabowski gab zum Ausdruck, daß er bereit sei, mit deutscher Unterstützung die Juden aus den neuen bulgarischen Gebieten, Thrazien und Mazedonien, nach dem Osten abzuschieben, daß aber ein Abschub aus dem altbugarischen Teil vorläufig nicht in Frage käme.

Die Planung und alle Einzelfragen sollten mit dem Judenkommissar Belev besprochen werden. Inzwischen hatte Belev dem Innenminister einen Vorschlag zur Genehmigung durch den Ministerrat unterbreitet. (134) Dieser wurde am 12. Februar 1943 vollinhaltlich angenommen. Und ohne den Beschluß abzuwarten, hatte Belev von sich aus bereits Beauftragte nach Thrazien und Mazedonien entsandt, um dort die Möglichkeiten der Zusammenziehung der Juden in Lager zu prüfen.

Er sagte ferner für die ersten Märztage die Bekanntgabe der Abfahrtsbahnhöfe und der auf diese entfallenden Anzahl von Juden zu. Er rechnete damit, daß ab etwa EndeMärz 1943 deportiert werden könne und die Gesamtzahl rund 20.000 Juden betragen würde. (135)

Am 26.März meldete Beckerle, daß der Vizepräsident der Sobranje, Pescheff, dem Ministerpräsidenten, eine von ihm und 42 weiteren Abgeordneten unterzeichnete

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Petition überreichte, in der gegen die Deportation von Juden Stellung genommen wurde.

Daraufhin stellte der Ministerpräsident den antrag, Pescheff das Mißtrauen auszusprechen. Die Mehrzahl der Abgeordneten stimmten gegen Pescheff. Als Folge mußte er von seiner Position als Vizepräsident der Sobranje, zurücktreten. (136)

Am 24. Juni 1943 meldete der Polizeiattaché Hoffmann über den Gesandten Beckerle den Abschluß der Deportation aus Thrazien und Mazedonien mit zusammen etwa 20.000 Juden. (137)

Unterschriftkürzel

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13 –

Ungarn:

Es mag um den 10. März 1944 gewesen sein, als mein Chef der SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei, /eine Zeile gestrichen, unleserlich/ Müller, mich auf einer Arbeitsstelle, etwa 80 km östlich von Berlin, im Kreise Wustrow, inspizierend kontrollierte. Ich hatte den Befehl, dort ein Barackendorf, als Ausweichstelle für ein allfällig zusammengelegentes Geheimes Staatspolizeiamt, aufzubauen. Er fand alles gut und schön und zweckmäßig. Abschließend sagte er: "Eichmann Sie melden sich sofort bei dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD-Ungarn, SS-Standartenführer u. Oberst der Polizei, Ministerialrat Dr. Gentke, in Mauthausen. Sie sind ihm als Referent zur Dienstleistung zugeteilt. Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei hat die Evakuieurng sämtlicher Juden aus Ungarn, aus strategischen Gründen, von Osten nach Westen durchkämmend, befohlen."

Ich versuchte noch einen Hinweis auf die noch längst nicht fertiggestellte Arbeit und bat um die Genehmigung, dieselbe zu Ende bringen zu dürfen, aber die Nutzlosigkeit dieser Bitte war mir bereits beim Beginn des Aussprechens derselben klar geworden.

Ich übergab das Referat nun endgültig an meinen bisherigen "Ständigen Vertreter" und

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setzte mich nach Mauthausen in Marsch. Dort waren bereits die Befehlshaber der Ordnungspolizei und der Sicherheitspolizei mit der Aufstellung und Einteilung ihrer Kommandos beschäftigt. Es wurde feldmarschmäßige Adjustierung ausgegeben, die Kommandos wurden bewaffnet und vermunitioniert. Der dazugehörige Kraftfahrzeugpark aufgestellt und es fuhren sodann die Kommandos in drei Gruppen in Richtung Ungarn los. Das schnelle Vorauskommando aus Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei unter dem SS-Obersturmbannführer Krumeg, und etwa 24 Stunden später das Gros – ebenfalls Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei – unter meinem Kommando; abschließend fuhr der Befehlsstab mit den Befehlshabern. Im Aufmarschraum angekommen, wurde ich hinter der 1. Panzerlehrdivision eingezogen und marschierte hinter diesem Vorhand, gemäß der befohlenen Aufmarschordnung. /1 Zeile gestrichen, unleserlich/

In Budapest angekommen, löste ich befehlsgemäß die Marschordnung auf und die verschiedenen Einheiten meines Marschverbandes – (denn nur während des Marsches und allfälligen Kampfeinsatz, falls der Einmarsch aus irgendwelchen Gründen nicht reibungslos vonstatten gehen sollte,

/449, 450/AE 115

unterstand mir die Einheit) – meldeten sich bei ihren verschiedenen Dienststellen und Chefs, zur Dienstleistung.

Wer vielen bisherigen Publikationen über meine Person glauben schenkte, mußte zwangsläufig der Meinung sein, daß /1 ½ Zeilen gestrichen, unleserlich/ ich jetzt hier zu schlaten und zu kurbeln anfing, um im Blitztempo, höchst persönlich mit meinem Kommando die Juden zu deportieren. Aber, wird er sicherlich schon erstaunt gewesen sein, gelesen zu haben, daß ich das Marschkommando auflöste, als ich nach Budapest kam – es verlieben mir ur etwa 15 – 20 Mann, samt Kraftfahrer und Wache eingeschlossen – so wird er bestimmt noch erstaunter sein, die folgenden Seiten zu lesen, wobei ich mich streng an die offiziellen Dokumente jener Zeit halte.

Der im Jahre 1961 in Deutschland als Zeuge vernommene ehemalige Legationsrat Dr. Eberhard von Tahdden erklärte: "Die Deportation der ungarischen Juden wurde meines Wissens zwischen Hitler und Horthy, anläßlich ihres Treffens auf Schloß Klessheim abgesprochen. Beim Treffen an Klessheim zwischen Hitler und Horthy waren Ribbentrop und Himmler dabei. Heute weiß ich, daß Horthy ein Ultimatum gestellt wurde." (138) Dieses Treffen fand am 17.März 1944 statt. Am 19. März um 13,00 Uhr drahete Veesenmayer an das Auswärtige Amt u.a.: "Bin nach glattem Verlauf der Fahrt heute um 11 Uhr, in Budapest

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eingetroffen und habe die Geschäfte übernommen.

Gesandter von Jagow hat heute morgen dem Reichsverweser mitgeteilt, daß er mit sofortiger Wirkung abgerufen sei und hat sich von ihm verabschiedet, nachdem er ihm meine Ernennung zum Reichsbevollmächtigten und Gesandten mitgeteilt hat." (139)

Der Zeuge Dr. Wilhelm Höttl, sagte am 24. April 1947 in Dachau aus: "Die entscheidenden Besprechungen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Sytojay, sowie vermutlich auch mit Horthy, hat Dr. Veesenmayer selbst geführt. Erst durch die in desen Gesprächen erfolgten Abmachungen, wurde die Evakuierung ausgelöst. Das hat mir Stojay selbst gesagt. Auch die Schaffung einer eigenen ungarischen Stelle dafür, nämlich des Staatssekretariates Endre‘s, erfolgte, wie mir der damalige ungarische Innenminister Andor Jaross erzählte, auf Wunsch Dr Veesemayers." (140)

Während dieses Anlaufens operierten, wie die Dokumente zeigen, SS-Hauptsturmführer Wislicenz als Sachbearbeiter und SS-Obersurmbannführer Krumey, der zwar rangmäßig ungleich höher als Wislicenz stand, aber von der sachlichen Arbeit keine Ahnung hatte, bei dem Kommandeur der Sicherheitspolizei in Budapest, einem SS-Obersturmbannführer

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und Oberregierungsrat Trenker. Bei etwaigen Beschwerden, so heißt es in einer Aufforderung an die jüdischen Funktionäre in Budapest vom 20. März, wenden Sie sich an Krumey und Wislicenz. Über die Pester Israelitische Kultusgemeinde verfügt einzig und alleine der Kommandeur der Sicherheitspolizei. (141)

Zwar weist dieses Dokument weder Briefkopf und Unterschrift auf, weder trägt es eine Buchnummer, noch ist es überhaupt vollständig: aber mir ist in Erinnerung, daß Wislicenz sich sogleich zu Anfang seines Eintreffens in Budapest mit den jüdischen Funktionären zusammensetzte und es ist mir auch bekannt, daß die exekutiven Tätigkeiten durch die Dienststellen der Kommandeure der sicherheitspolizei wahrgenommen wurden, im Einvernehmen und nach vorheriger Absprache mit der ungarischen Geheimen Staatspolizei und den jeweiligen, örtlichzuständigen ungarischen Gendameriekommandozentralen.

Der organisatorische Aufbau der Sicherheitspolizei und des SD in Ungarn sah an seiner Spitze den Höheren SS- u. Polizeiführer, als den örtlichen Vertreter des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei. Er war die höchste Autorität aller deutschen SS und Polizeieinheiten in Ungarn und deren

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Gerichtsherr. So unterstand ihm auch der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD-Ungarn, Dr. Geschke.

Der ehemalige General der Polizei, von dem Bach Zelewski sagte als Zeuge 1961 in Deutschland: "In den Gebieten, in denen zum Höheren SS und Polizei Führer, ein Befehlshaber der Sicherheitspolizei gehörte, war er dem Höheren SS u. Polizei Führer unterstellt. Der Höhere SS und Polizeiführer erhielt niemals Befehle von Reichssicherheitshauptamt. Wenn ein Befehl dieses Hauptamtes an den Befehlshaber der Sicherheitspolizei erging, und dieser ihn dem Höheren SS-Pol. Führer vorlegte, bestand die Möglichkeit, daß er die Entscheidung Himmlers einholte." (142)

Dem Befehlshaber der Sipo, unterstanden die Kommandeure der Sicherheitspolize und des SD, deren es in ganz Ungarn glaublich 4 oder 6 gab, (143) und das Sondereinsatzkommando "Eichmann", unter meiner Führung.

Die Entstehung des Namens dieses Kommandos ist ebenso simpel wie merkwürdig. Ein Sonderbevollmächtigter Himmlers in Budapest, von dem noch die Rede sein wird, klebte an ihm geeignet erscheinende Gebäude Beschlagnahmezettel an, mit der Aufschrift "Sondereinsatzkommando – Eichmann". Der Name war nicht mehr auszurotten. Die Aktion dieses Sonder-

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bevollmächtigten war eigenmächtig, aber er war gedeckt durch seine Himmler Vollmacht.

Für ein Sondereinsatzkommando würde es sich schon allein merkwürdig anhören, daß diese nur aus rund 20 Mann bestand.

Es wurde späterhin, da der Name offenbar unausrottbar wurde offiziell "Sondereinsatzkommando – Ungarn" benannt, wie ein Schreiben des Chefs der Sicherheitspolizei, Dr. Kaltenbrunner, an den Bürgermeister der Stadt Wien, Blaschke vom 30. 6.1944, von dem nach zu sprechen sein wird, besagt. (144)

Der SS-Obersurmbannführer Krumey, wurde zu meinem _Ständigen Vertreter" bestellt. Unser Chef war der inzwischen zum SS Oberführer beförderte Dr. Geschke und der höchste SS u. Polizeichef deutscherseits in Ungarn, der Polizeigeneral Winkelmann. Dieser unterstand in politischen Angelegenheiten dem Reichsbevollmächtigten, Dr. Veesenmayer. Es war im Prinzip dieselbe hierachisch-organisatorische Form, wie in allen übrigen besetzten Gebieten auch, nur daß Veesenmayer und Winkelmann zueinander ein in sachlicher Hinsicht, schlechtes Verhältnis hatten, da sich Winkelmann nur schwer subordinieren wollte. Um es einmal kurz und vulgär auszudrücken,

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einer trachtete dem anderen zu befehlen. Für uns Untergeordneten war es am besten, man kümmerte sich nicht um die Streitereien der Großen, da man dabei doch nur hätte "zermahlen" werden können, sondern tat stur seinen Dienst, wie er befohlen war.

Am 31. März 1944 hatte Ribbentrop große Sorgen, und sein persönlicher Botschafter Ritter gibt durch, "Sonder-Geheimschreiber" an den Reichsbevollmächtigten Dr. Veesenmayer nach Budapest folgendes Fernschreiben durch: "Der Herr Reichsminister hat erfahren, daß der Obergruppenführer Kaltenbrunner beabsichtigt, während der nächsten 14 Tage in Budapest anwesend zu sein. Der Herr Reichsminister bittet Sie aus diesem Anlaß um einen vertraulichen Bericht an den Herrn Reichsminister persönlich, welche Aufgaben Herr Kaltenbrunner, neben dem Ihnen unterstellten General Wineklmann dort hat und durchführt. Beschäftigt er sich persönlich mit der Regelung der Judenfrage oder mit welchen anderen speziellen Fragen? Der Herr Reichsminster hat nach wie vor die Sorge, der SD könnte versuchen, sich in die Ihnen zustehenden Aufgaben und Rechte mischen und bittet Sie, besonders darauf zu achten,

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daß dies nicht geschieht." (145)

Nun ist es schwarz auf weiß gegeben. Der General Winkelmann ist, ob er will oder nicht, dem Reichsbevollmächtigten unterstellt. Schließlich kann auch in Ungarn kein deutscher General herumtanzen wie er gerne möchte. Aber nun geht in der Folgezeit das Rennen zwischen Veesenmayer und Winkelmann um die Hegemonie bezüglich der Judendeportation los, ein Rennen, bei dem Veesenmayer, kraft seiner Vollmacht und Akkredition ber der ungarischen Regierung, mühelos gewinnt.

Und schon am 15. April meldete Veesenmayer, daß seine an die ungarische Regierung gestellte Forderung, noch bis Ende des Monates 50.000 Juden zur Arbeit in Deutschland, zur Verfügung zu stellen, angenommen wurde und er mit Obergruppenführer Winkelmann die Einzelheiten des Abtransportes vereinbaren wird. Er bat das Auswärtige Amt, ihm aber jetzt schon umgehend Weisung zu erteilen, wohin der Transport im Reich geleitet werden solle. Das Auswärtige Amt teilte ihm als Antwort mit, daß die Waggengestellung und der Fahrplan durch meine Dienststelle geregelt würde, sobald die abschließende Weisung von Obergruppenführer kaltenbrunner vorliege. Diese Weisung bekam

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ich durch das Reichssicherheitshauptamt am 22. April. Und der behördliche Instanzenweg manifestiert sich in einem Schreiben des Reichssicherheitshauptamtes, indem es das Auswärtige Amt darauf hinweist, daß der Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Ungarn durch Blitz-Fernschreiben vin den Verhandlungen Veesenmayers mit der ungarischen Regierung und seiner Vereinbarung mit dieser, wegen der 50.000 Juden, in Kenntnis gesetzt wurde und angefragt wurde, ob unter Hinblick auf die Transportschwierigkeiten eine Einschaltung des Reichssicherheitshauptamtes beim Reichsverkehrsministerium für erforderlich gehalten werde. (146)

Aber trotz allem und offensichtlich wegen der umständlichen Bürokratie, die im Amt IV des Reichssicherheitshauptamtes unvermeidbar war, ging es den interessierten Stellen im Auswärtigen Amt nicht schnell genug und als ob sie Rüge von höchster Stelle befürchteten, empfiehlt der Botschafter Ritter am 27. April Veesenmayer im Falle weiterer Verzögerung des Abtransportes, bei seiner drahtlichen Berichterstattung deutlich zum Ausdruck zu bringen, daß von seiner Seite aus alles Mögliche und Notwendige zur schleunigen Durchführung der Aktion geschehen ist, daß der Abtransport der bereitgestellten Juden aber dadurch verzögert wird, daß die für Abtransport und Übernahme der Juden zuständigen Stellen, die notwendigen Anordnungen nicht treffen. (147)

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Am 29. April meldet Veesenmayer an das Auswärtige Amt, daß der erste Transport von Budapest aus, abgegangen sei. Und am 11. Mai konnte er weiter berichten, daß eine Fahrplankonferenz am 6. Mai abgeschlossen wurde. Mit dem Abtransport der rund 325.000 Juden aus dem Karpathenraum und Siebenbürgen würde am 15. Mai begonnen. Täglich seien 4 Züge mit je 3.000 Juden zum Abtransport nach dem Zielort (Auschwitz) vorgesehen. Die von der "OT" für den Arbeitseinsatz im Reich benötigten 100.000 Arbeitskräfte, müßten bei dem SS-Verwaltungs- und Wirtschaftshauptamt angefordert werden, daß über die aus Ungarn zum Abtransport kommenden Juden verfügt. (148)

Am 22. Mai traf in Budapest der Legationsrat von Thadden ein. An Ort und Stelle hatte er sich ein Bild von der Lage der Dinge zu machen. Zur Frage der Vermögensbehandlung trug er dem Gesandten Veesenmayer seine Auffassung vor. Aber er erklärte v. Thadden, daß die Frage noch nicht spruchreif sei, sobald er den Boden dafür günstig halte, wolle er sie in Angriff nehmen. Der Gesandte wies ihn darauf hin, daß das eben zur Debatte gestandene Objekt in keinem Verhältnis hinsichtlich der Größenordnung, zu den von den Dienststellen Himmlers eingeleiteten Fischzuges stünde. Er habe in dieser außergewöhnlich heiklen

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Angelegenheit seinen besten Mitarbeiter, den Konsul Rokowski zu Himmler geschickt. Herr von Thadden meinte in seiner Berichterstattung in dieser Angelegenheit an das Auswärtige Amt, daß soweit er aus Veesenmayers Andeutungen entnehmen konnte, es sich um Geheimverträge handele, welche Winkelmann hinter dem Rücken von Veesemayer vorbereitet hat und mit denen der Gesandte nicht einverstanden sei. (149)

Nun, worum handelte es sich bei diesen Dingen. Da ich sie selbst erlebt habe, ja zum Teil selbst bearbeitet habe und sogar zum Teil auch selbst Ideen mit dazu gab, schildere ich die Dinge am besten so, wie ich weiß, daß sie sich zugetragen hatten.

Kurz nachdem ich im Monat März des Jahres 1944 in Budapest war, erschien eines Nachmittags auf meinem Hotelzimmer – (ich arbeitet und wohnte um jene Zeit auf meinem Zimmer im Hotel, da mir noch keine Dienststellenunterkunft nachgewiesen war) – ein SS-Obersturmbannführer der Waffen SS, Kurt Becker. Da wir beide gleichrangig waren, ergab sich von Haus aus sogleich ein Verhältnis, welches unter Gleichrangigen derselben Uniformfarbe, überlichermaßen in den meisten Ländern der Erde dasselbe sein dürfte. Ich konnte damals noch nicht ahnen, daß dieserselbe Herr Becker nach 1945, zu seiner eigenen Hautrettung, in einer solch unverschämten und die Tatsachen entstellenden Weise, über meine Person herzog und den in Nürnberg damals verlierenden /Feinden ächten – durchgestrichen/ Alliierten und ihren Gehilfen, daß erzählte, was sie am liebsten hörten; ohne Rücksicht, auf den Wahrheitsgehalt.

Und noch 1961, hielt es Becker, als Zeuge der israelischen Anklage in Deutschland vernommen, so mit der Unwahrheit, "daß sich die Balken bogen."

Daß er sich dabei eines Meineides schuldig machte, interessiert ihn offensichtlich überhaupt nicht und scheint er im Eifer der erdichteten Unwahrheiten gar nicht bemerkt zu haben, trotzdem ihm die "Zeugenfragen" bereits ein oder zwei Tage vor der Verhandlung bekannt gegeben wurden. Wahrlich, ein "sauberes Spiel", welches infolge seine Ungeheuerlichkeit verspricht, in die Geschichte der "Juristik", einzugehen.

Dieser ehemalige SS-Obersturmbannführer Becker teilte mir um jene Zeit mit, daß er Sonder-

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bevollmächtigter Himmlers in Budapest sei; seine Aufgabe wäre es, Vermögenswerte für die Waffen SS sicherzustellen; kompletter gesagt, damit Ausrüstungsgegenstände für dieselbe zu besorgen.

Das Interesse an seinem Besuch bei mir galt dem Datum des Deportationsbeginnes. Ich konnte ihm um jene Zeit auch keine andere Auskunft geben, als die, welche er wahrscheinlich ohnedies wissen mochte, da er ja gewissermaßen "frisch gebacken" von Himmler kam.

In der Folgezeit sahen wir uns sehr oft, und allmälig konnte ich ihm auch genauere Details geben; er war ja schließlich Sonderbevollmächtigter Himmlers. So konnte ich ihm sagen, daß Veesenmayer und Winkelmann mit den Verhandlungen bei der ungarischen Regierung beschäftigt sind, um die Deportationspläne und Phasen zu besprechen und sehr genaue Details vermochte ich ihm über die operativen Vorarbeiten durch die ungar. Gendamerie zu vermitteln, da ich hierüber ja laufend informiert wurde, um meinen Chefs berichterstattungsmäßig stets die neueste Lage zu geben; so, wie mir dies befohlen war. Insoweit kamen wir gut aus. Nur als Herr Becker eines Tages anfing zu drängeln, da er in einer deportationnsschwangeren Luft, in einer überhitzten Atmosphäre,

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seine Himmler-Befehle schneller, besser und eleganter durchführen könne und als diese Drängelei zunahm, da wurde ich – wie man zu sagen pflegte – linkisch. Denn im "Ruck-Zuck"-Verfahren arbeitet keine Behörde, auch die ungarische Gendarmerie, so intakt und schlagkräftig dieses Korps auch war, machte darin keine Ausnahme. DerAmtsschimmel braucht überall seine Zeit, egal ob in Deutschland oder Ungarn. Außerdem, und dies war das Schönste, konnte ich sie weder anlaufen lassen, weder abstellen, weder beschleunigen, noch verzögern. Daher fand ich seine Anwürfe ungerechtfertigt und mit der Besorgung eines Bürolraten schickte ich mich daran, dieserhalb eine dienstliche Meldung an meine Vorgesetzten abzufassen, da ich nichts anderes annehmen konnte, daß er dasselbe auf seinem Dienstweg ebenfalls in die Wege leiten würde. Sein Dienstweg war kurz, denn er unterstand in jener Zeit, Himmler unmittelbar.

Mein Ärger wurde groß und größer, als er eines Tages damit anfing, Juden gegen Abtretung von Vermögenswerten, auswandern zu lassen. Nun war die Auswanderung von Juden um jene Zeit durch einen Befehl Himmlers strengstens verboten. Und nur er selbst oder der Chef der Sicherheitspolizei, konnten Ausnahmen zulassen. Um wieviel mehr

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erstaunter war ich, als der Obersturmbannführer Becker solches ebenfalls, kraft eigenen Entscheides, nunmehr genehmigen konnte.

Ich, der ich jahrelang inmitten der jüdischen Auswanderung steckte und dienstlich damit befaßt war, bis eben zu jenem genannten Verbot, mußte in Deportationsfahrplänen mit dem Reichsverkehrsministerium herumfummeln; mir, der ich in Auswanderungserfahrung eine mehrjährige "Schule" zu durchlaufen hatte, wurde hier ein Polizeiferner zur Seite gesetzt, ohne daß auch ich solche Genehmigungen erteilen konnte. Ich mußte mich im Gegenteil von dieser polizeifernen Person noch drängeln lassen mit der Deportation nunmehr endlich zu beginnen, damit er seine "Rosinen aus dem Kuchen" holen konnte, dabei genau wissend, daß über Deportation alleine der Reichsbevollmächtigte, der Höhere SS- u. Polizeiführer, Himmler und Ribbentrop zu entscheiden hatten; und allenfalls noch Kaltenbrunner. Da packte mich der Zorn; ein Zorn der umso schlimmer war, als Becker ja infolge seiner Himmler-Vollmacht tatsächlich unangreifbar gewesen ist. Er hatte eben den Befehl, gegen Vermögenswerte, alles zu genehmigen.

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Jüdische Weisheit
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