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Was aufgeschrieben, veröffentlicht und in einigen Bibliotheken der Welt aufgehoben ist, wird vielleicht nicht so schnell vergessen.

Cum ira et studio:
Eine Odyssee des Überlebens
1941-1945

Erhard Roy Wiehn, Rezension zu Zeev Milos "Im Satellitenstaat Kroatien - Eine Odyssee des Überlebens 1941-1945"

Zeev Milo weiß, wovon er schreibt: Mehr als eine Autobiographie, ein Buch, das es in sich hat. Ein Zeitzeuge beschreibt das schreckliche Ende des jahrhundertealten jüdischen Lebens in Kroatien, hautnah, informativ, persönlich.

Denn Juden lebten wohl seit dem 3. Jahrhundert auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawien; jüdische Gemeinden gab es seit dem 12. Jahrhundert in Kroatien und Slowenien, wo seit der Vertreibung durch Ferdinand I. im Jahre 1526 und bis ins 18. Jahrhundert die Ansiedlung für Juden verboten war. Ab 1492 kamen dennoch jüdische Flüchtlinge aus Spanien und bald auch aus Portugal über das Mittelmeer via Thessaloniki (1), auf den durch die Türken eroberten Balkan, und es entstanden sephardische Gemeinden in Makedonien, Serbien und Bosnien. Mitte des 18. Jahrhunderts kamen Siedler aus dem Burgenland, Moravien und Ungarn. Die bürgerrechtliche Gleichstellung in Österreich-Ungarn und somit in Kroatien erfolgte erst im Jahre 1873. Alle jüdischen Gemeinden wurden mit ihren bisherigen Ländern 1918 dem neuen Jugoslawien einverleibt.

Im Jahre 1918 wurde der Staat Jugoslawien gegründet, der mit einer gewaltsamen Unterbrechung im Zweiten Weltkrieg bis 1991 bestand. Die letzte Volkszählung vor dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1931 wies ca. 73.000 Jüdinnen und Juden in 121 Gemeinden aus. Im Jahre 1941 sollen in Jugoslawien etwa 80.000 Juden gelebt haben, darunter mindestens 4.000 Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich und anderen europäischen Ländern. In Belgrad und Zagreb lebten damals je ca. 11.000, in Sarajevo ca. 10.000 jüdische Bürgerinnen und Bürger; 60% waren Aschkenasim
(2), 40% Sephardim (3); es gab ein großes Engagement für die zionistische Bewegung. Beschäftigt waren ca. 59% in Handel, Banken und Verkehr, ca. 13% in Industrie und Handwerk, ca. 12% in Verwaltung und freien Berufen.(4)

In Kroatien gab es bereits einen gewissen traditionellen, katholisch geprägten Antisemitismus; ein erster Höhepunkt der Judenfeindschaft war gleich nach Kriegsbeginn im Herbst 1939 zu verzeichnen. Im Oktober 1940 wurden von der jugoslawischen Regierung zwei "Judengesetze" verabschiedet, eines setzte Zulassungsbeschränkungen an Oberschulen und Universitäten fest, das andere verbot den Handel mit bestimmten Nahrungsmitteln. Am 6. April 1941 marschierte die deutsche Wehrmacht mit verbündeten italienischen, ungarischen und bulgarischen Einheiten in Jugoslawien ein, am 18. April 1941 brach der Widerstand der jugoslawischen Armee zusammen.
(5)

In Serbien wurden bereits im August 1941 jüdische Männer in Konzentrationslager gebracht und ermordet, von März bis Mai 1942 ca. 8.000 jüdische Frauen und Kinder in Gaswagen ermordet. Für die Mordaktionen direkt verantwortlich waren die deutsche Verwaltung in Serbien, die Wehrmachtsbefehlshaber Südost sowie der deutsche Militärbefehlshaber in Serbien.(6)

Der neue faschistische Staat Kroatien hatte die Nürnberger Gesetze übernommen und sofort nach der Staatsgründung mit antisemitischen Maßnahmen begonnen. Im Juni 1941 wurden Massenverhaftungen durchgeführt, die meisten Opfer im Konzentrationslager Jasenovac von kroatischer Ustascha-Miliz grausam ermordet. Im August 1942 wurden 5.000 Juden nach Auschwitz deportiert, im Mai 1943 weitere 3.000 "nach Osten", ohne Wiederkehr.

Die Mordbilanz im damaligen Jugoslawien: ca. 66.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder, ca. 83% der jugoslawischen Judenheit: 75% in Kroatien, 94% in Serbien, je 88% in der Batschka und in Makedonien. Nicht allzu vielen gelang die Flucht in die italienische Besatzungszone an der Adriaküste.
(7)

Mit den Partisanen Titos kämpften 4.572 namentlich bekannte Jüdinnen und Juden, davon ca. 3.000 in Kampfeinheiten, die anderen in Hilfseinheiten, 1.318 jüdische Partisanen fielen, einige kamen später zu hohen militärischen Ehren und Rängen.

Vor diesem Hintergrund muß Zeev Milos Geschichte der kroatischen Juden im Zweiten Weltkrieg gelesen werden, die gewiss nicht sine ira et Studio geschrieben ist und gar nicht sein kann. Hier wird jüdische Geschichte von innen gesehen, und zwar in Form eines sehr persönlichen Buches einerseits, das aber andererseits das ganze schreckliche Panorama der Schoah in Kroatien und sogar ganz Jugoslawien aufgezeigt und in vielen Details die bisherige, nicht allzu reiche diesbezügliche Geschichtsschreibung in deutscher Sprache bereichert.

Nach Zdenko Leventals 'Auf glühendem Boden - Ein jüdisches Überlebensschicksal in Jugoslawien 1941-1947' (Konstanz 1994, Literaturpreis der Stadt Bern 1994) und Michael Merons (alias Wladimir Mautner) 'Wir müssen es alleine schaffen - Aus Zagreb durch deutsche Kriegsgefangenschaft und Jugoslawien nach Israel 1915-1997' (Konstanz 1997) freuen wir uns nun über diesen dritten Titel für die Dokumentation jüdischer Schicksale in Kroatien in unserer Edition Schoah & Judaica / Jewish Studies.

Herzlich zu danken ist Zeev Milo für seine bleibende Erinnerungsarbeit, Katerina Külper für ihre selbständige PC-Erstkorrektur und für erstes Korrekturlesen, Cornelia Künzel für folgendes engagiertes mehrfaches Korrekturlesen und Jutta Obenland (alle Universität Konstanz) für akribisches, selbstloses letztes Korrekturlesen wie auch für ihren Anteil an PC-Arbeit.

Was aufgeschrieben, veröffentlicht und in einigen Bibliotheken der Welt aufgehoben ist, wird vielleicht nicht so schnell vergessen.

9. November 2002

Zeev Milo
Im Satellitenstaat Kroatien: Eine Odyssee des Überlebens 1941-1945
Herausgeber Erhard R. Wiehn, Taschenbuch - Hartung-Gorre, ISBN 3896498096
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Mehr als eine Biographie:
Die Vernichtung der Juden Kroatiens

www.soziologie.uni-konstanz.de/forsch

1 Erhard Roy Wiehn, Juden in Thessaloniki. Konstanz 2001
1 Mittel- und osteuropäische Juden
3 Südeuropäische und nordafrikanische Juden
4 Vgl. Eberhard Jäckel et al. (Hg.), Enzyklopädie des Holocaust. München 1995, Band II, S. 717-720.
5 Vgl.
Michael Meron alias Wladimir Mautner, Wir müssen es alleine schaffen - Von Zagreb durch deutsche Kriegsgefangenschaft und Jugoslawien nach Israel 1915-1997. Konstanz 1997;
Zdenko Levental, Aufglühendem Boden - Ein jüdisches Überlebensschicksal in Jugoslawien 1941-1947. Mit einer Dokumentation. Konstanz 1994.
6 Vgl. Hannes Heer u. K. Naumann (Hg.), Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944. Hamburg 1995, S. 39ff.
7 Vgl. Eberhard Jäckel etal., a.a.O., S. 720-723.
8 Vgl. Zdenko Levental, Auf glühendem Boden. Konstanz 1994; Eberhard Jäckel et al., a.a.O., S. 814-820.

JUGOSLAWIEN - KROATIEN - SERBIEN
Von Chaim Frank
In gesamten Territorium Jugoslawien konnten die Juden seit dem 3. Jahrhundert über viele Jahrhunderte hinweg fast unbeschadet leben. Ab 1456 wurde der Aufenthalt der Juden in Kroatien und Slowenien verboten...

hagalil.com 02-12-2004

 

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