Mehr als eine Biographie:
Die Vernichtung der Juden Kroatiens
Von
Zeev Milo
Unsere Familie lebte in Kroatien, welches damals ein Teil
Jugoslawiens war. Dort verbrachte ich meine Kindheit und ging zur Schule. In
unserer Familie gab es Wärme und Einigkeit. Mein Verhältnis zu den Eltern war
sehr gut. Die Wirtschaftslage der Familie war mehr als zufriedenstellend. Ich
hatte einen Kreis guter und aufrichtiger Freunde.
Die
Zukunft sah rosig aus, aber nur dem Augenschein nach. Dunkle Wolken kündigten
schon den schweren Sturm an, der kommen sollte. Wir hatten es schon lange
vorhergesehen, und oft ergriff uns Angst. Doch die kleinen Sorgen des Alltags
ließen sie wieder in Vergessenheit geraten. Wieder verging ein Tag und noch ein
Tag, und wir näherten uns der Katastrophe, die unabwendbar war.
Und dann trat sie ein, die Katastrophe. Über Nacht wurden wir von anständigen
und geachteten Bürgern zu Verbrechern, schuldig an allem Schlechten dieser Welt.
Auswurf der Menschheit, dem man das Recht abstritt, auf dieser Erde zu atmen und
zu leben. Wir wurden zum ungeschützten Wild. Jedermann durfte es verfolgen,
jagen und morden, und zwar auf eine Art, die seine persönlichen sadistischen
Triebe befriedigte.
Wir waren ein Teil der jüdischen Bevölkerung im sogenannten
"Unabhängigen Staat Kroatien", der vom deutschen Dritten Reich auf dem
Territorium Kroatiens, Bosniens und der Herzegowina gebildet wurde. Dieser Staat
entstand nach dem Fall Jugoslawiens im April 1941 und stand bis Kriegsende 1945
unter der Vormundschaft Deutschlands.
In
diesem Staat herrschte eine Clique, "Ustascha" genannt. Diese Clique bestand aus
Menschen, deren Ziel es war, an Regimegegnern oder Andersgläubigen, Juden,
Serben und Zigeunern ihre Grausamkeit auszulassen. Sie verübten ihre Verbrechen
an Männern, Frauen oder Kindern, ohne Ausnahme. Hinzu kam der Terror der
deutschen Besatzung. Der Genozid erreichte unglaubliche Ausmaße und forderte
Hunderttausende Opfer. Es muß besonders betont werden, daß ein allgemeiner
Konsens bestand, alle Juden unbedingt zu vernichten. Andererseits taten die
Juden alles, um zu überleben.
Trotzdem gelang es dem verbrecherischen Regime, innerhalb
einer verhältnismäßig kurzen Zeit drei Viertel der kroatischen Juden zu
vernichten. Unter diesen vernichteten Juden befanden sich auch fünf Mitglieder
meiner Familie.
Das unmenschliche Treiben der Ustascha führte dazu, daß die
unterdrückte Bevölkerung gegen sie aufstand. Der organisierte bewaffnete
Aufstand verschiedener Volksgruppen war unvermeidlich. Die Aufständischen
gruppierten sich in zwei verschiedenen Bewegungen. Die eine vertrat die
kommunistische Ideologie, die andere war für die Wiederherstellung der
Monarchie. Diese beiden Bewegungen, die eigentlich ein gemeinsames Ziel hatten,
und zwar das gegenwärtige Regime zu stürzen und sich von der deutschen Besatzung
zu befreien, konnten wegen der entgegengesetzten Ideologien und trotz des
gemeinsamen und grausamen Feindes zu keiner Zusammenarbeit gelangen und
bekämpften sich statt dessen gegenseitig.
Zeev Milo
Im Satellitenstaat Kroatien:
Eine Odyssee des Überlebens
1941-1945
Herausgeber Erhard R. Wiehn, Taschenbuch - Hartung-Gorre, ISBN 3896498096
[BESTELLEN]
www.Hartung-Gorre.de |
Ich habe jetzt ein Buch geschrieben, um das
Schicksal meiner Familie und unseres Freundeskreises zu beschreiben. Dieses
Buch ist nicht nur eine Autobiographie, in der ich meine Erlebnisse
beschreibe und das, was sich in meiner unmittelbaren Umgebung abspielte. Ich
bemühte mich, die historischen, militärischen und politischen Ereignisse zu
beschreiben, die sich zu dieser Zeit auf der Weltbühne abspielten und
Einfluß auf unser Schicksal ausübten. Ich versuchte, die Ereignisse zu
analysieren, um die Hintergründe für dieses und andere Phänomene zu
begreifen sowie die Entschlüsse und Reaktionen, Motive und Launen der
verschiedenen beteiligten Persönlichkeiten zu verstehen. Kurz schildere ich
auch die Geschichte des kroatischen Judentums bis zum Beginn der
Katastrophe.
Im übrigen finde ich es unerläßlich, die Geschichte und Kultur der
Balkanvölker zu skizzieren, die Verschiedenheiten, Gegensätze und den
zersetzenden Einfluß, den fremde Völker hatten, die diese Einheimischen
jahrhundertelang beherrschten. Es werden Tatsachen und Gründe dargelegt, die
diese Gegend bis zum heutigen Tag zu einem Pulverfaß machten. In meinen
Darstellungen bediene ich mich der einschlägigen Literatur und
Dokumentation, die entsprechend zitiert wird.Was
brachte mich dazu, dieses Buch zu schreiben? Warum verließ ich den festen
Boden der exakten Wissenschaften, in denen ich ausgebildet wurde und in
denen ich mich zu Hause fühle, um ihn gegen das schwierige Terrain und den
Nebel der Geschichte zu tauschen?
Schon immer wollte ich meinen Kindern und Enkelkindern
meine Erlebnisse beschreiben. Das "Was", "Wie" und "Warum". Außerdem wollte
ich selbst schon immer die Hintergründe des Faschismus, des Nazismus und des
Antisemitismus kennenlernen, die zum Genozid an meinem Volk führten.
Ich habe das alles für die Zeit aufgehoben, in der ich dafür frei sein
würde. Diese Zeit war gekommen, ich hatte das Alter der Pensionierung
erreicht. Jetzt alarmiert mich zudem, was in Kroatien geschieht. Das neue
"demokratische Kroatien", das sich von Jugoslawien trennte, rehabilitiert
die Ustascha-Verbrecher, leugnet und vertuscht deren Verbrechen. Auch diese
Geschehnisse trugen zu meinem Entschluß bei, dieses Buch zu schreiben.
Zeev Milo alias Vladimir Müller
Tel Aviv, im Juni 2001 |
Was aufgeschrieben, veröffentlicht und in einigen
Bibliotheken der Welt aufgehoben ist, wird vielleicht nicht so schnell
vergessen.
Cum ira et studio:
Eine Rezension von Erhard Roy Wiehn
Zeev Milo
Im Satellitenstaat Kroatien: Eine Odyssee des Überlebens 1941-1945
Herausgeber Erhard R. Wiehn, Taschenbuch - Hartung-Gorre, ISBN 3896498096
[BESTELLEN]
JUGOSLAWIEN -
KROATIEN - SERBIEN
Von Chaim Frank
In gesamten Territorium Jugoslawien konnten die Juden seit dem 3. Jahrhundert
über viele Jahrhunderte hinweg fast unbeschadet leben. Ab 1456 wurde der
Aufenthalt der Juden in Kroatien und Slowenien verboten...
www.soziologie.uni-konstanz.de/forsch
hagalil.com 02-12-2004
|