Zerstörung:
Die "Große Synagoge" in Nürnberg
10. August 1938 -
Zerstörung der Großen *Synagoge in Nürnberg und des angrenzenden Gemeindehauses
auf Initiative des Gauleiters *Streicher und der Staatsbehörden. Streicher
stellte diesen Akt als den Auftakt zu einer neuen Phase in der Radikalisierung
der Judenpolitik dar. (Vgl. <2464> ; sowie <2498> in
Die
Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten).
Streicher, Julius
(1885-1946)
NS-Politiker und Verleger, Herausgeber und Besitzer der berüchtigten
antisemitischen Zeitschrift Der *Stürmer. 1919 Mitbegründer der
antisemitisch-völkischen Deutschsozialen Partei, mit der er 1921 zur NSDAP
übertrat; Teilnahme am Hitlerputsch 1923. Ab 1928 Gauleiter in Franken
(''Frankenführer''); ab 12. Januar 1933 Mitglied des Reichstags.
Infolge seiner
brutalen, oft ins Obszöne gehenden öffentlichen antisemitischen Hetze wurde er
im In- und Ausland zum Inbegriff des NS-Radau-Antisemitismus. Laut den
NS-Berichten heizten seine reichsweiten hetzerischen Auftritte die
antisemitische Stimmung an und führten oft
zu *Einzelaktionen.
Noch vor der *Kristallnacht wurde auf seine Initiative hin
die große Synagoge in Nürnberg abgerissen.
Streicher hatte innerhalb der Parteiführung viele Gegner, wurde jedoch von
Hitler in Schutz genommen. Im Gegensatz zu seinem allgemein verbreiteten Image
spielte er in der Planung und Durchführung der NS-Judenpolitik, insbesondere in
ihren entscheidenden Phasen nach 1939, keine entscheidende Rolle.
Er wurde von
dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg am 1. Oktober 1946 wegen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt und beharrte, anders als
viele seiner Mitangeklagten, bis zum Schluss öffentlich auf seinem fanatischen
Antisemitismus.
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Julius Streicher während der Massenkund-gebung vor dem
Abbruch der Nürnberger Haupt-synagoge am Hans-Sachs-Platz, 10-08-1938.
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Stürmer, Der
Vulgär-antisemitische Zeitschrift der nationalsozialistischen Kampfpresse mit
dem Untertitel ''Deutsches Wochenblatt zum Kampf um die Wahrheit''. Sie wurde
1923 von Julius *Streicher in Nürnberg zur politischen Mobilisierung der Massen
für den Nationalsozialismus ins Leben gerufen. Das ausschließliche Thema der
Zeitung war die Hetze gegen Juden.
Der seit 1924 für den Stürmer arbeitende
Karikaturist Philipp ''Fips'' Rupprecht schuf den berüchtigten Typus des
''Stürmer-Juden''. Seit 1927 fand sich auf jeder Seite als Fußleiste das
Treitschke-Zitat ''Die Juden sind unser Unglück'', das sich ebenso auf den
''Stürmer-Kästen'' befand, in denen das Blatt ab 1933 in allen deutschen Städten
und Dörfern aushing. Eines seiner Lieblingsthemen war die Anprangerung der
*Rassenschande .
Berüchtigt waren auch die Aufsätze und Karikaturen des Stürmer
zum sogenannten *Ritualmord. Die Sondernummer vom 1. Mai 1934 war
ausschließlich diesem Thema gewidmet. Die Zeitschrift und insbesondere die
öffentliche Aushängung in den Stürmer-Kästen wurde wegen ihrer Obszönität von
verschiedenen Teilen der Bevölkerung abgelehnt. Vor allem religiöse Kreise und
*Kirchen protestierten gegen Karikaturen, in denen die antisemitische Propaganda
mit der Verunglimpfung der Kirchenvertreter einherging.
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Der kurz vor dem Abbruch der Synagoge gerettete "Judenshtain" aus der 1499
zerstörten Synagoge.
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Die ebenfalls kurz vor dem Abbruch der Synagoge gerettete Gedenktafel (aus
dem Jahre 1909) für den "Judenshtain".
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Einzelaktionen gegen Juden
Antijüdische Ausschreitungen, *Boykott jüdischer Geschäfte,
*Friedhofsschändungen und andere Gewalttätigkeiten, meist von Aktivisten und
Ortsgruppen der NS-Parteiorganisationen (insbesondere der *SA , aber auch der
*SS und der *Hitlerjugend ) durchgeführt oder angestiftet; oft aus eigener
Initiative, zum Teil aber auch als Reaktion auf verschärfte antisemitische
Hetzpropaganda der Partei- und Regierungsführer, vor allem von *Streicher und
*Goebbels.
Am krassesten war zunächst die Welle von Gewalttätigkeiten und
willkürlichen Festnahmen durch SA und SS in den ersten Monaten nach der
Machtergreifung (vgl. Zeittafel, März 1933 , sowie <1>, <5>, <41>). Von der
Machtergreifung bis in die Kriegsjahre kam es zwischen den verschiedenen Staats-
und Parteistellen vielfach zu Kompetenzstreitigkeiten über die Rolle der
Einzelaktionen.
In bestimmten Situationen wurden Einzelaktionen jedoch von der Regierung sowohl
aus Rücksicht auf die Reaktion des Auslandes unterbunden - besonders angesichts
der erstarkenden *Boykottbewegung gegen das Dritte Reich - aber auch aus
innenpolitischen Erwägungen, wenn man eine Störung der öffentlichen Ordnung
befürchtete. So führte etwa die neue Welle der Gewalt im Sommer 1935 dazu, daß
Hitlers Stellvertreter Rudolf *Heß , Reichsinnenminister Wilhelm *Frick und auf
Drängen von Hjalmar *Schacht schließlich auch Hitler selbst diese Einzelaktionen
verboten (vgl. Zeittafel, Juli - August ).
Der von der Partei und meist auch von der Regierung zunächst initiierte und dann
wieder unterbundene ''Druck von unten'' führte zu dem offiziell gesteuerten
*Boykott vom 1. April 1933 und der darauffolgenden Gesetzgebung (vgl. Zeitafel
1.-3. und 7.4.1933 ); zu der ''neuen antisemitischen Welle'' im Frühjahr und
Sommer 1935 (vgl. Februar 1935, Juli 1935 , Juli - August 1935 ) und zu den
darauffolgenden *Nürnberger Gesetzen. Die neu entfesselte Welle der Gewalt im
Frühjahr und Sommer 1938 (vgl. Zeittafel, 12. März 1938 und <2399>, <2427>,
20. Mai sowie September 1938 und <2529>, <2530>) gipfelte in der
*Kristallnacht.
Ähnlich brachen in den ersten Kriegsmonaten an mehreren Orten antijüdische
Aussschreitungen aus, trotz des ausdrücklichen Verbotes der *Gestapo vom
7.9.1939 (vgl. Zeittafel; <2986>, <2993>). Auch während des gesamten Krieges
gab es vereinzelte Auschreitungen, vor allem *Friedhofsschändungen. Letztere
dauerten auch nach der offiziell vollendeten ''Entjudung'' Deutschlands im
Sommer 1943 weiter an.
Bibl.: Schwarzbuch; Wildt, Violence against Jews in Germany 1933-1939; Kershaw,
Popular Opinion and Political Dissent,S.234f; Bankier, Die öffentliche Meinung
im Hitler-Staat, Kap. 2 und 4; Kulka, Nürnberger Rassengesetze, S. 608-621;
Wildt, Judenpolitik des SD.
Verweise
beziehen sich auf:
Otto Dov Kulka und Eberhard Jäckel
Die
Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten 1933-1945
Dokumente zu einem unfasslichen Kapitel deutscher Geschichte
Band 62, Droste-Verlag, Düsseldorf 2004
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Von Nürnberg nach Jerusalem, und nicht zurück:
Meir Schwarz -
Porträt eines Nürnberger Juden
Eine kleine, untrennbare Wurzel hält ihn an seinen
Geburtsort. Hier trifft er sich mit Jugendlichen, halt Vorträge, spricht über
seine Erfahrungen als "jüdischer Schüler in Nazi-Nürnberg", erforscht die
Geschichte der Synagogen Bayerns...
Bilder aus der Dokumentation
Spuren und
Fragmente: Jüdische Bücher, jüdische Schicksale in Nürnberg und aus
Die
Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten 1933-1945.
hagalil.com 08-11-2004
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